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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Andere dagegen können abstrakte Begriffe aus Religion, Philosophie, Mathematik oder sonst etwas sein – nicht, dass ich es wüsste, denn für mich sind sie allesamt ein sinnloser Aufzug von Halluzinationen. Doch insofern sie alle Ideen sind, sind sie auch alle fungibel. Was auch immer ihre Herkunft gewesen sein mag, sie sind nun alle zu derselben Währung konfundiert, und so kann ich vom Satz des Pythagoras und vom Vertrag von Utrecht ebenso sprechen wie vom gestrigen Wetter. Für mich ist das alles bloß Zwieback – wie übrigens auch Ihr, Lord Wragby.«
    »Das ist völlig klar«, sagte Peer geistesabwesend, denn er hatte an der Stelle, wo Dappa griechische Buchstaben verwendet hatte, leicht glasige Augen bekommen. »Sagt mir, Dappa, gab es an Bord Eures Schiffes auch deutsche Piraten?«
    »Ihr meint Leute, deren Muttersprache Hochdeutsch war? Leider sind sie ein bei Piraten seltener Menschenschlag, denn die Deutschen fürchten das Wasser und lieben die Ordnung. Die meisten waren Holländer. Es gab jedoch einen in der Bilge in Eisen geschlossenen Gefangenen, einen bayerischen Diplomaten, der mir seine Sprache beigebracht hat.«
    »Nun gut!« Und Peer schlug sein Notizbuch auf und begann Seiten zu überfliegen, die mit mühevoll hingestümperten Karikaturen gefüllt waren. »Tja, Dappa, Ihr wisst vielleicht nicht, dass wir Engländer auf etwas wohnen, das sehr stark den Sandbänken ähnelt, die Ihr von Euren Flüssen her kennt, nur dass unsere viel größer und frei von Krokodilen ist -« Er hielt eine Zeichnung hoch.
    »Wir nennen es eine Insel«, sagte der Marquis von Ravenscar hilfsbereit.
    »Es gibt einen großen Fluss von kaltem, salzigem Wasser«, sagte Peer und hielt die Arme weit auseinander, »der sehr viel breiter ist als die Entfernung zwischen meinem Buch und meinem Stift und uns von einem Ort namens Europa trennt, der voller böser, böser Affen ist. In Eurem System geistiger Ideen könntet Ihr ihn mit vielen Affenhorden vergleichen, die unentwegt kreischen und sich gegenseitig mit Steinen bewerfen.«
    »Aber manchmal überqueren wir den salzigen Fluss auf so etwas wie hohlen Baumstämmen, nur viel größer«, ließ sich nun auch der Marquis von Ravenscar auf das Spiel ein, »und werfen selbst ein paar Steine, nur um in Übung zu bleiben!« Er zwinkerte Dappa zu, der einen brütenden Blick zurückgab.
    »Am anderen Flussufer gibt es einen ungeheuer riesigen und starken alten Gorilla, einen Silberrücken, vor dem wir uns fürchten.«
    Dappa seufzte, denn er spürte, dass es keinen Ausweg gab. »Ich glaube, ich habe sein Bild auf französischen Münzen gesehen, er heißt Leroy.«
    »Ja! Er besitzt mehr Bananen als jeder andere, hat mehr Affen in seinem Stamm und hat schon viele Steine auf uns geworfen.«
    »Das muss wirklich sehr schmerzhaft sein«, sagte Dappa nicht sehr mitfühlend.
    »Ja, sehr«, sagte Peer. »Aber wir haben selbst einen mächtigen Silberrücken, einen wirklich phantastischen Steinewerfer von tödlicher Genauigkeit, der Leroy vor einigen Monden einen Baum hinaufgejagt hat! Deswegen kann sich unsere kleine Horde hier auf unserer Sandbank im Salzfluss nicht entscheiden, ob sie unseren großen Silberrücken als Gott verehren und anbeten oder als Teufel fürchten und schmähen soll. Nun haben wir außerdem eine gewaltige Lichtung im Dschungel, und zwar gar nicht so weit von hier, wo wir zusammenkommen, um uns vor einem ganz bestimmten, eher schwachen, weiblichen Silberrücken zu verbeugen – und wo wir uns auf die Brust trommeln und uns gegenseitig mit Kot bewerfen.«
    »Igitt! Bis Ihr mir das erzählt habt, wollte ich sagen, dass ich diese Lichtung gern sehen würde.«
    »Ja, es ist ziemlich furchtbar«, warf Roger, von Peers Gleichnis befremdet, ein, »aber wir haben festgestellt, dass das Kotwerfen dem Steinewerfen vorzuziehen ist.«
    »Werft Ihr auch Euren Kot, Lord Wragby?«, fragte Dappa.
    »Ich verdiene sogar meinen Lebensunterhalt damit!«, antwortete Peer und schwenkte sein Notizbuch, »und was Ihr hier seht, ist das Instrument, mit dem ich meine Munition vom Dschungelboden kratze.«
    »Darf ich fragen, was so speziell an diesem weiblichen Silberrücken ist, dass Ihr fliegendem Kot trotzt, um ihr zu huldigen?«
    »Sie hält unseren Stock der Macht«, antwortete Peer, als wäre die Frage damit geklärt. »Nun zur vorliegenden Angelegenheit. Es gibt zwei Stämme, die um die Gunst des alten weiblichen Silberrückens wetteifern. Der Anführer des einen dieser Stämme steht vor

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