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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Londons vor dem großen Brand zu stehen. Irgendwo hinter den Fachwerkfronten der Häuser und Schenken, die diese Straßen säumten, lagen Bollwerke aus Stein und Mörtel, die den Inner Ward für eine Armee vor Erfindung des Schießpulvers uneinnehmbar machen würde. Doch um diese mittelalterlichen Bastionen, Schießscharten et cetera sehen zu können, würde man zuerst alles abreißen und abkratzen müssen, was darauf- und davorgebaut worden war, ein Projekt, das der Plünderung einer englischen Kleinstadt gleichkäme.
    Der Byward Tower war an und für sich ein gordischer Knoten, insofern er die beiden wichtigsten Tore des Komplexes mit dessen überfülltester Ecke verband. Aber das war nur das Erdgeschoss. Das Gebäude bestand aus zwei runden, durch eine Brücke miteinander verbundenen Türmen und war ein beliebter Ort zur Unterbringung von wichtigen Gefangenen. Es ragte auf einer Seite von Daniel und Isaac empor. Auf der anderen erhob sich der riesige, wuchtig vorspringende Klotz des Bell Tower, der südwestlichen Bastion der Innenmauer. Aber das wusste Daniel nur, weil er ein Gelehrter war, der sich alte Bilder der Anlage angesehen hatte. Viel mehr ins Auge stachen die zur Straße liegenden Bauwerke in Erdgeschosshöhe: ein paar Schenken direkt am Fuß des Bell Tower, weitere Marketenderhütten und kleine Häuser und Wohnungen, die in wirren Haufen auf jedem Steinsims saßen, das Halt bot.
    Jeder, der an einen derart beengten Ort käme, würde sich instinktiv nach einem Ausweg umsehen. Der erste, der einem ins Auge stach, wenn man durch das Byward Gate hereinkam, war die Water Lane – der entlang der Flussseite verlaufende Streifen Pflaster zwischen innerer und äußerer Verteidigungsmauer. Der Blick darauf wurde vom Bell Tower und seinen Auswüchsen der jüngsten Zeit halb verstellt, dennoch schien es naheliegend zu sein, sich für diesen Weg zu entscheiden, denn die Water Lane war breit. Und weil die Öffentlichkeit tagsüber Zugang dazu hatte, war sie im Allgemeinen frei.
    Die andere Möglichkeit war, scharf nach links abzubiegen, dem Fluss den Rücken zu kehren und in etwas hineinzuspazieren, was wie ein mittelalterliches Elendsquartier aussah, an der Außenseite einer Kreuzfahrerburg aus dem Boden gestampft von viel geschäftigem Pöbel, dem man nicht erlaubte, hereinzukommen und sich unter die Ritter und Knappen zu mischen. Sein Rückgrat bildete eine einzige schmale Gasse. Auf der linken Seite zog sich eine Reihe alter Kasematten hin, was in der Soldatensprache so viel wie befestigte Galerien bedeutete, eigens dafür gedacht, von Invasoren überrannt zu werden, damit die Verteidiger, die sich absichtlich darin einschließen ließen, die Angreifer durch die Fenster in den Rücken schießen und den Graben so zur tödlichen Falle machen konnten. Bei neuen Festungen waren die Kasematten in die Wälle eingegraben und von Erde geschützt. In veralteten, wie dieser, lagen sie an der Innenseite von Kurtinen. Von dieser Art waren auch diejenigen auf der linken Seite der Mint Street. Sie erhoben sich fast bis auf die Höhe der Außenmauer, verdeckten diese und machten es leicht zu vergessen, dass das alles intra muros gebaut war. Dank des Schießpulvers waren sie militärisch schon lange nutzlos, und man hatte sie zu Werkstätten und Kasernen für die Münze umfunktioniert.
    Zur Rechten, so dicht zusammengepfercht, wie es nur ging, ohne sich jedoch über eine bestimmte Höhe zu erheben – wie Muscheln entlang dem Spülsaum -, klammerte sich eine zweite Reihe von Gebäuden an die höheren Mauern der inneren Verteidigungsanlage.
    Von der Ecke am Byward Tower aus sah das Ganze wie die Trümmer einer verbrannten Stadt aus, die man in eine steinerne Rinne geharkt hatte, wo es ein ordentliches Gewitter brauchte, um die Flammen zu ersticken, den Rauch niederzudrücken und alles wegzuspülen. Das rhythmische Krachen, das durch dieses in Dung erstickende Getto hallte, lieferte den einzigen Hinweis darauf, dass hier irgendetwas von organisierter Natur vor sich ging; doch das machte die Mint Street kaum einladender, selbst wenn man (wie Daniel) wusste, dass das unaufhörliche Schlagen das Geräusch von Stabhämmern war, die Münzen prägten.
    Auf komische Weise, dachte er, war dieser brennende Rinnstein so etwas wie ein Gegenstück zum Fleet Ditch.
    Da der Fleet voller Erde und Wasser und die Mint Street voller Feuer und Luft war, wäre Daniel diese Einsicht wohl niemals in den Sinn gekommen, wenn er nicht erst vor wenigen

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