Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
zum Tower Hill bedurfte es nur eines Schwenks mit dem Fernrohr. Die roten Linien waren weg, die Kompanien abmarschiert! Er suchte den Hügel ab, bis er sie wiedergefunden hatte: Sie hatten genau das getan, was er gehofft hatte, sie waren nämlich auf den Rauch und das Feuer zumarschiert. Was auch sonst, war das Feuer doch in einem Gebäude unweit der Black Horse Stables ausgebrochen, in denen diese Dragoner viele ihrer Pferde hielten. Bei Londoner Feuersbrünsten war das Protokoll so starr und unveränderlich wie bei einer Krönung: Zuerst kam die Feuerwehr, dann der Pöbel, und zum Schluss rückten Soldaten aus, um den Pöbel zu vertreiben. Alles ging traditionsgemäß vonstatten.
    Er ließ das Fernrohr sinken, um sich zu vergewissern, dass seine Söhne ihren Beitrag zu dem Vorhaben leisteten. Tatsächlich hatten sie den Pilgerstab an den Raketenkopf gebunden und ihn, grob in Richtung St. Mary-at-Hill weisend, ans Geländer gelehnt. Eine Eisenkette hing einige Ellen lang an dem Stab herab und wurde nun mit dem losen Ende eines Seils verbunden, das über dem Rand des Kessels baumelte, den der Indianer hier heraufgeschleppt hatte. Das lief also genau nach Plan. Er warf einen Blick senkrecht nach unten, um zu überprüfen, ob der große Wagen dröhnend seine Position am Fuß der Säule einnahm. Dann wandte er den Kopf in Richtung Fluss, um seine Flottenmanöver zu kontrollieren, doch in der Nähe des Treppenaustritts wurde ihm der Blick plötzlich von einem großen, schlanken Burschen in einer langen Robe versperrt, dessen Auftauchen von keinerlei Atemnot begleitet wurde.
    »Teufel auch – unser Oberaufseher ist da, Jungs.«
    Spuckende Geräusche von Jimmy und Danny waren die Antwort.
    Der Mann in der Robe warf seine Kapuze zurück, um schwarze Haare mit grauen Strähnen und einen nicht gerade modernen, aber durchaus gut aussehenden Ziegenbart zu enthüllen. »Guten Tag, Jack.«
    »Sagt doch lieber Bonjour, Jacques , damit unseren Geiseln Euer Franzosentum haften bleibt. Und wo Ihr schon dabei seid, Pater Ed, macht noch ein paar Mal das Kreuzzeichen, um Euren Katholizismus zur Geltung zu bringen.«
    Geschickt wechselte Pater Édouard de Gex ins Französische und hob die Stimme. » Bis wir hier fertig sind, werde ich mehr als eine Gelegenheit haben, mich zu bekreuzigen. Herr im Himmel, sind das die einzigen Geiseln, die Ihr auftreiben konntet? Das sind Juden .«
    »Das ist mir bewusst. Sie werden sogar bessere Zeugen abgeben, weil sie in dem Streit unparteiisch sind.«
    Pater Édouard de Gex’ Nase prangte als prachtvolles Stück Knochenarchitektur über Nasenlöchern, die so groß waren, dass Weinkorken darin Platz gehabt hätten. Nun brachte er sie zum Einsatz, indem er die Juden buchstäblich beschnüffelte. Er schlug seine lange Robe zurück und warf sie von sich, um die schwarze Soutane der Jesuiten zu enthüllen, vollständig mit baumelndem Kruzifix, Rosenkranz und anderen Insignien. Die Juden – die bisher angenommen hatten, die Sache mit dem Flaschenzug gehöre zur routinemäßigen Wartung des Monuments – waren jetzt zwischen Erstaunen und Angst hin- und hergerissen: Wir sind hier heraufgekommen, um die Aussicht zu genießen , schienen sie zu sagen, hätten aber niemals die Spanische Inquisition erwartet.
    »Wo sind die Münzen?«, wollte de Gex wissen.
    »Seid Ihr bei Eurem Aufstieg von einem stämmigen Inder, der Euch entgegenkam, beinahe über den Haufen gerannt worden?«
    » Oui .«
    »Wenn wir ihn das nächste Mal sehen, wird er die Münzen bei sich haben. Falls es Euch nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne einen Blick auf den Fluss werfen.« Jack ging um de Gex herum und hob sein Fernrohr, zögerte dann jedoch, da er es eigentlich gar nicht brauchte. Die Barke trieb mit der Gezeitenströmung flussabwärts und hatte vielleicht ein Viertel der Strecke bis zur Tower Wharf hinter sich. An Deck waren Männer aufgetaucht, die die inzwischen vertrauten Vorbereitungen mit Seilen und Raketen trafen. Was die Schaluppe anlangte, so hatte sie, für jedermann im Pool sichtbar, ihre französische Flagge gehisst und schien nun Kurs auf den Tower zu nehmen. Auf ihren Decks wimmelte es plötzlich von Männern, die alle die gleichen taubenblauen Röcke trugen. Hätte Jack das Fernrohr bemüht, hätte er in ihren Händen Tauwerk, Enterhaken, Donnerbüchsen und andere Schiffseisenwaren sehen können.
    Die Frage lautete: Machte irgendjemand im Tower sich die Mühe zu schauen? Was, wenn Jack eine Enter-Party gab und

Weitere Kostenlose Bücher