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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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anzuheben versucht und konnte sie um keine Haaresbreite bewegen, Sir.«
    Daniel fragte sich, ob er den Dragonern mitteilen sollte, was für ihn und Isaac auf der Hand lag: dass sie zusammen mit einer Höllenmaschine auf einem herrenlosen Schiff festsaßen. Aber Isaac kam schneller zu einer Entscheidung und sagte: »Bitte verzeih Dr. Waterhouse’ Neugier im Hinblick auf eine so triviale Angelegenheit. Er und ich sind Dilettanten der Uhrmacherkunst. Da wir im Augenblick wenig anderes zu tun haben, werden wir uns vielleicht unter Deck zurückziehen und uns an einer Plauderei über Uhren ergötzen.«
    »Und ich werde mich Euch anschließen«, sagte Barnes, der begriffen hatte. »Das heißt, wenn Ihr gestattet.«
    »Bitte sehr, Oberst«, sagte Daniel. Dann ging er Isaac und Barnes voran auf eine offene Luke zu, die sich als scharf umrissenes Rechteck auf den vom Feuer erleuchteten Decksplanken abzeichnete.

Der White Tower
    DÄMMERUNG
    Pater Édouard de Gex von der Gesellschaft Jesu rappelte sich auf einem Bein hoch, denn er hatte sich einen Knöchel verletzt, und drehte sich nach der Trümmerspur um, die er quer über dem Dach des White Tower hinterlassen hatte. Vor allem wollte er wissen, wo der Inhalt seines Tornisters geblieben war. Er erschien ihm jetzt um einiges leichter als noch vor ein paar Minuten bei seinem Absprung vom Monument.
    Unter dem ächzenden Seil befand sich, durchsetzt mit platt auf dem Boden liegenden Schotten und deren weggeschleuderten Dolchen, Felltaschen und Tellermützen, eine Milchstraße aus Münzen und den kleinen Lederbeuteln, aus denen sie soeben herausgestoben waren. De Gex humpelte zurück, raffte sie an sich und stopfte sie in seine Tasche. Beschämt vom Anblick eines Geistlichen, der vor ihren Augen mit gekrümmtem Rücken Erntearbeit verrichtete, rafften sich die verblüfften und zerschrammten Hochlandschotten auf, schüttelten den Staub von ihren Kilts und machten sich daran, Münzen und kleine Säckchen vom Dach aufzulesen.
    Aber de Gex hörte mit dem Sammeln und Zählen erst auf, als er sich bis zum westlichen Rondell vorgearbeitet hatte. Dort traf er auf den ersten Mann, den er niedergestreckt hatte: einen massigen Burschen mit einer Augenklappe, der ihn in passablem Französisch ansprach. »Im Namen der Auld Alliance«, sagte er (und bezog sich dabei auf eine sehr punktuelle, aber Zeitalter umspannende Reihe diplomatischer Verabredungen zwischen Schottland und Frankreich), »ich heiße Euch im Tower von London willkommen. Bitte betrachtet ihn als Eigentum Frankreichs -«
    » Pourquoi non? Schließlich haben wir ihn ja gebaut.«
    »- und als Eurer Befehlsgewalt unterstellt!«
    »Sehr gut, mein erster Befehl lautet, dass Ihr die Fahne von MacIan of MacDonald einholt!«, antwortete de Gex.
    Darüber war Lord Gy nicht erfreut. Das stand ihm so deutlich wie eine Platzwunde ins Gesicht geschrieben. Er ertrug es jedoch mit der kaltschnäuzigen Ruhe von jemandem, der schon Schlimmeres gehört hat und einen darauf hinweisen will, dass er noch lebt. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er, »die Jungs waren etwas ausgelassen. Die Ernsthaftigkeit und Diskretion von Paris sind jungen Burschen, die gerade erst aus dem schottischen Heideland heruntergaloppiert sind, fremd.« Und mit einer kleinen Verbeugung drehte er sich in die Richtung der Fahne um. De Gex tat es ihm gleich.
    Doch beide stellten voller Erstaunen fest, dass überhaupt keine Fahne mehr da war: nur ein Fahnenmast, der in Hüfthöhe durch einen Hieb mit einer hervorragenden Klinge abgeschlagen worden war. Daneben saß der Fahnenträger – ein ganz und gar aus Sommersprossen bestehendes, vielleicht vierzehn Jahre altes Wesen – in einer Schießscharte und hielt sich die blutige Nase.
    Rufus MacIan eilte zu ihm hin, um ihn zu befragen. Édouard de Gex, der erst einmal sein obligatorisches Augenrollen vollführte, schaute sich um und bemerkte erst jetzt, dass Jack nirgendwo zu sehen war. In der allgemeinen Aufregung um de Gex’ Landung auf dem White Tower musste Jack die Fahnenangelegenheit selbst in die Hand genommen haben. Und danach hinuntergegangen sein; und der nächste Weg nach unten durfte wohl der durch eine jetzt offenstehende Tür in dem runden Türmchen sein, das die nordöstliche Ecke des Gebäudes zusammenhielt. Dieses Türmchen ragte über der Stelle auf, wo MacIan den Sommersprossenjungen mit der blutigen Nase ausfragte, und es war offensichtlich, dass MacIan jeden Moment diesen Weg einschlagen würde.
    De Gex

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