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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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überhaupt nicht einordnen. Da war ein Mann, der eine Werkstatt für sich allein hatte, drüben in der Ecke – auch unter den Derwischen ein Exilant -, wo er an einer Achse eine Glaskugel befestigt hatte. Indem er diese zusammen mit einem blassen, furchtbar nervösen Lehrling in Drehung versetzte, brachte er unheimliche knisternde Geräusche hervor und erzeugte kleine Lichtblitze.
    Der offene Raum des Hofes war größtenteils von der einen oder anderen Fraktion mit Beschlag belegt worden und angefüllt mit verschwenderischen wie praktischen Anlagen. Es gab auf einen Blick zu viele Öfen und Essen zu sehen, als dass man sie hätte zählen können, und alle waren sie recht klein und dienten irgendeiner Subspezies von speziellem Zweck. Sie bestanden aus Ziegelstein und Mörtel und erinnerten den Besucher mit ihrer je besonderen Form an Muscheln, angeschwemmt an irgendeinem exotischen Strand. Es gab einen Kran, bewegt von zwei Männern, die jeweils in einem großen Holzrad dahintrotteten. Dieser stand im hinteren Teil des Hofes, wo ein Tor von einem Wirrwarr ländlicher Kuhwege hereinführte, von denen bislang noch keiner mit einem pittoresken Namen geadelt worden war. Ferner belebten den Hof diverse Dreibockgestelle, Takelagen, Pressen, Spantengerippe und Hebevorrichtungen unbekannter Natur und unbekannten Zwecks. Es gab sogar ein Hügelgrab: eine steinige Erhebung, die vor einem halben Millennium vielleicht die Bezeichnung Ruine verdient hätte, inzwischen aber weitgehend von der Erde resorbiert worden war.
    »Euer Budget für Schreibwaren muss großzügig sein«, sagte Eliza. Denn ein weiteres sonderbares Merkmal des Ortes bestand darin, dass Papierfetzen darin umherflogen wie Herbstlaub und dass auf jedem etwas gekritzelt stand. »Das erinnert mich an die Börse.« Sie schnappte sich einen Zettel, der in einem Luftstrom vor ihr tanzte, und strich ihn glatt: Er war mit wilden Federstrichen attackiert, bekritzelt und schraffiert worden. Es mochte sich einmal um eine saubere perspektivische Wiedergabe von etwas Dreidimensionalem gehandelt haben. Doch andere Hände hatten so oft etwas hinzugefügt, weggenommen, abgeändert und annotiert, dass die Hälfte der Seite mit Tinte bedeckt war. Nach seiner Vervollkommnung hatte man es weggeworfen.
    »Wir geben tatsächlich eine ganze Menge für Tinte und Papier aus«, räumte Daniel ein, »aber Männer wie diese können ohne nicht denken.«
    »Ich vermute, ich soll beeindruckt sein; stattdessen aber bin ich, wie ich gestehen muss, verwirrt«, lautete das Urteil von Johann von Hacklheber, der »Hildegard« niemals mehr als eine Armeslänge von der Seite wich, sie aber nicht berührt hatte, während sie durch den Hof geschlendert waren.
    »Die Schwierigkeit liegt darin, dass es bis jetzt wenig gibt, was sich als fertige Arbeit bezeichnen lässt«, sagte Daniel, »und was fertig ist, wurde zum Bridewell Palace verfrachtet.« Darauf kam es zu einem kurzen Aufschub, während Johann versuchte, der jungen Deutschen das Konzept von Bridewell zu erläutern, ein Projekt, das keinen sehr guten Verlauf zu nehmen schien.
    »Erlaubt mir, es zu demonstrieren«, sagte Daniel. Er schritt durch den Hof davon. Johann, »Hildegard« und Eliza folgten in einer Reihe, die sich zwischen Essen, Öfen und weniger leicht zu benennenden Konstrukten hindurchwand und -schlängelte, bis sie am Fuße des Hügelgrabs zum Stehen kam.
    Dieses war mit einem außergewöhnlich massiven schmiedeeisernen Tor versehen, das mit einem Schloss von der Größe einer Folio-Bibel gesichert war, wie man es etwa am Tor eines Pulvermagazins finden mochte. Daniel hatte den Schlüssel: ein Pfund Messing, zu einem verzwickten Labyrinth geschmiedet und gefeilt. Er pustete darauf und führte ihn dann mit der Sorgfalt eines Chirurgen, der dem König ein Geschwür aufschneidet, in eine Öffnung an der Vorderseite des Schlosses ein. Aus dem Inneren der Konstruktion drangen klickende und klackende Geräusche, während es mechanische Herausforderungen bot, die der Schlüssel meisterte; schließlich durfte Daniel an einem Messingrad drehen, das mehrere Riegel zurückzog. Die Torflügel öffneten sich ein Stück weit. Daniel entschuldigte sich und schob sich durch den entstandenen Spalt. Indem die Gäste an ihm vorbeischauten, konnten sie eben noch eine Art Vorraum ausmachen: einen kleinen, mit Steinen gepflasterten Absatz am oberen Rand einer Grube. In einem Öltopf weichten einige Fackeln ein. Daniel zog eine heraus, streifte Unmengen

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