Principia
verschwand kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges und wurde, so vermutete man, von Straßenräubern ermordet.
Nun lebt in Boston ein Knabe namens Godfrey William, der sich in kurzem vielleicht in derselben Notlage befinden wird, der sich Gottfried Wilhelm vor sechzig Jahren in Leipzig gegenübersah. Das heißt, es ist wahrscheinlich, dass sein Vater in absehbarer Zeit tot sein und der Knabe sich in der Obhut einer Mutter befinden wird, die zwar liebevoll und wohlmeinend ist, aber nur allzu sehr dazu neigt, sich von den Ratschlägen von Nachbarn, Lehrern, Geistlichen etc. leiten zu lassen. Ich habe genug Zeit unter Puritanern im Allgemeinen und Bostoner Puritanern im Besonderen verbracht, um zu wissen, was diese Leute ihr sagen werden: Verschließt die Bibliothek! Oder, mit anderen Worten – da ich nur eine armselige Bibliothek zurückgelassen habe -, erzieht den Knaben so, dass er seinen Vater als einen freundlichen, aber unfähigen Menschen (ähnlich unserem Nachbarn, Mr. Goose) sieht, der sich auf einen Metzgergang begab und dem ein ganz und gar vorhersagbares und daher vollkommen verdientes Schicksal widerfuhr – ein Schicksal, wie es Godfrey vermeiden könne, wenn er sich von den Schrulligkeiten und Schwärmereien seines Vaters fernhalte. Mit anderen Worten, der Glaube wird den Knaben von jeder Speise essen lassen, nach der es ihn verlangt, vorausgesetzt, sie schmeckt nicht nach Philosophie.
Ich betraue Euch, Enoch, damit, den Knaben zu retten. Eine große Bürde, das weiß ich wohl; doch hier ist viel im Gange. Um Euch bei dieser schwierigen Aufgabe zu helfen, werde ich Euch ab und zu Briefe wie diesen schicken, sodass Ihr in ein paar Minuten lesen könnt, was ich in ein paar Wochen getan habe. Zeigt man diese Briefe Godfrey, wenn er älter ist, so trägt ihr Inhalt vielleicht dazu bei, etwaige Illusionen hinsichtlich meines Geisteszustandes und meiner Seriosität zu zerstreuen, die ihm seine Mitkolonisten eingeimpft haben mögen. Es können jedoch auch Monate verstreichen, in denen ich nicht die Muße habe, Euch wieder zu schreiben, und sei es auch nur in aller Hast, mit einem Bleistift, so wie jetzt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich in diesen Monaten eine Begegnung mit einem nikotinbeschmierten Dolch, dem Knüppel eines Schwarzgardisten, dem Degen eines Hof-Stutzers oder Jack Ketchs Strick habe. Vielleicht – so unwahrscheinlich das im Augenblick auch scheint – sterbe ich sogar eines natürlichen Todes.
Gerade bin ich einige Minuten lang von einem Bekannten, einem gewissen Mr. Threader, unterbrochen worden. Er flitzt und hüpft durch Waghorns Kaffeehaus und die Lobby wie ein Spatz, dem ein Sturm soeben das Nest heruntergeweht hat. Seine Energien sind größtenteils auf das gerichtet, was im House of Lords geschieht, und das wiederum hat mit irgendwelchem Asiento-Geld zu tun, das abhanden gekommen ist (falls Ihr von diesem Skandal nichts gehört habt, so lest irgendeine der Zeitungen auf dem Schiff, das Euch diesen Brief gebracht hat). Aber er hat huldvollerweise einige Minuten erübrigt, um Anteilnahme am Befinden von Sir Isaac zu heucheln. Es ist jetzt zwei Wochen her, dass Newton hierherkam, um vor den Commons über die Ermittlung des Längengrades zu sprechen, dann in die Sternkammer gezerrt wurde, um über Münz-Angelegenheiten zu reden, und einen Nervenzusammenbruch erlitt. Seither gehen zahllose Gerüchte über Art und Schwere seiner Krankheit um, und Mr. Threader hat sie mir soeben alle aufgezählt und dabei mein Gesicht studiert. Ich kann nicht erraten, was meine Physiognomie ihm offenbarte, doch meine Worte ließen ihn wissen, dass die Geschichten sämtlich Erfindungen sind. Die Wahrheit sieht so aus, dass Newton in sein Haus in St. Martin’s zurückgebracht wurde und sich dort zufriedenstellend erholt. Heute habe ich an seiner Stelle vor dem Längengrad-Ausschuss gesprochen – nicht, weil er gar so krank ist, sondern weil kein Anreiz ihn dazu bewegen könnte, jemals wieder in den Westminster Palace zurückzukehren, den er als wimmelndes Nest von Schlangen, Hornissen, Jesuiten etc., etc. betrachtet. Wenn er je wieder einen Fuß dorthin setzt – was nur geschehen wird, wenn man ihn durch eine Münzprobe dazu zwingt -, wird er nicht so naiv und unvorbereitet kommen, wie es vor vierzehn Tagen der Fall war. Er wird im Gewande eines Grenadiers kommen, nämlich ebenso sehr mit Bomben behängt wie ein Apfelbaum mit Früchten.
Ihr werdet mit Entsetzen erfahren, dass hier in
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