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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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überzeugt habe, eine ebensolche in Wien zu gründen, wird meine Freude über diese Nachricht zwangsläufig von der Furcht getrübt, dass diejenige Russlands eines Tages die der Deutschen überflügeln und vielleicht sogar die Royal Society in den Schatten stellen wird.«
    Ihr könnt Euch gewiss vorstellen, wie ungeduldig er wurde, während ich dies hervorkrächzte. Ehe ich noch halb fertig war, stampfte er schon im gefrorenen Garten hin und her wie ein Wachtposten mit Frostbeulen. Ich sah zum anderen Ende der Lichtung hinüber und gewahrte mehrere Porträts in prunkvollen, vergoldeten Rahmen, die von den Wänden des château genommen, an die Hecke gelehnt und zum Zielschießen verwendet worden waren. Die Gesichter der meisten Porträts bestanden nur mehr aus faustgroßen Löchern, und verirrte Kugeln hatten neuartige Konstellationen in die dunklen Hintergründe gestanzt. Ich beschloss, lieber gleich zur Sache zu kommen. »Wie kann ich das herbeiführen?«
    Das verblüffte ihn, und er fuhr herum und funkelte mich an. »Was?«
    »Ihr wollt, dass die russische Akademie diejenigen von Berlin, Wien und London in den Schatten stellt?«
    »Ja.«
    »Wie kann ich Eurer Majestät zu Diensten sein? Wollt Ihr, dass ich Gelehrte anwerbe?«
    »Russland ist groß. Gelehrte kann ich machen. Genau wie ich Soldaten machen kann. Aber ein Soldat ohne Gewehr ist nur ein Feuer, das Essen verbrennt. Ich glaube, das gilt auch für einen Gelehrten ohne seine Werkzeuge.«
    Ich zuckte die Achseln. »Mathematiker benötigen keine Werkzeuge. Doch alle anderen Arten von Gelehrten brauchen das eine oder andere, um ihre Arbeit tun zu können.«
    »Beschafft es«, befahl er.
    »Ja, allergnädigster Herr.«
    »Wir werden dieses Ding herstellen, von dem Ihr gesprochen habt«, verkündete er. »Die Bibliothek, die denkt.«
    »Die große Maschine, die Wissen gemäß einer Reihe logischer Regeln handhabt?«
    »Ja. Es wäre gut, wenn meine Akademie so etwas hätte. Niemand sonst hat es.«
    »In beidem bin ich ganz Eurer Meinung, Eure kaiserliche Majestät.«
    »Was braucht Ihr, um sie zu bauen?«
    »So wie St. Petersburg nicht ohne Zeichnungen von Architekten und ein Schiff nicht ohne Pläne gebaut werden kann -«
    »Ja, ja, Ihr braucht die Wissenstabellen, niedergeschrieben in binären Zahlen, und Ihr braucht die Regeln symbolischer Logik. Ich unterstütze diese Arbeit seit vielen Jahren!«
    »Und das mit einer Großzügigkeit, die eines Caesar würdig wäre, Sire. Und ich habe ein logisches Kalkül entwickelt, das sich gut dafür verwenden lässt, den Betrieb der Maschine zu steuern.«
    »Was ist mit den Wissenstabellen!? Ihr habt mir gesagt, ein Mann in Boston arbeitet daran!«
    Inzwischen war der Zar herangestürmt, starrte mir aus nächster Nähe ins Gesicht und verfiel in einen seiner mit Zuckungen verbundenen Anfälle, der inzwischen auch seinen Arm in Mitleidenschaft zog. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, hatte er den Kranz des Rades gepackt, auf dem ich saß, und riss ihn hin und her, wodurch er mich mal in die eine, mal in die andere Richtung drehte.
    Was meine nächsten Worte angeht, so mag es mich in Euren Augen ein wenig entlasten, wenn ich erwähne, dass dieser Zar noch immer Menschen auf das Rad flechten lässt und noch Schlimmeres mit denen tut, die sich sein Missvergnügen zugezogen haben; und das zu vergessen war mir in meiner damaligen Lage, das heißt auf einem großen Rade sitzend, unmöglich. Ehe ich es mir anders überlegen konnte, platzte ich heraus: »Ach, Dr. Waterhouse ist im Augenblick auf dem Weg über den Atlantik und müsste, so Gott will, bald in London eintreffen!«
    »Übergibt er etwa der Royal Society die Arbeit, für die ich bezahlt habe!? Ich wusste doch, ich hätte diesen Newton gleich erwürgen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte!« (Denn als Peter vor einigen Jahren in London weilte, lernte er in der Münze Sir Isaac kennen.)
    »Keineswegs, gnädigster Herr, denn Euer untertänigster Diener und alle seine Werke werden von der Royal Society geschmäht, die niemals irgendetwas akzeptieren würde, was mit meinem Namen verbunden ist, selbst wenn sich Dr. Waterhouse unvorstellbarerweise so unehrlich verhielte!«
    »Ich bin gerade dabei, meine Flotte auszubauen«, verkündete Peter.
    Das, so muss ich bekennen, machte wenig Eindruck auf mich, da es keinen Zeitpunkt gibt, zu dem er nicht dabei ist, seine Flotte auszubauen.
    »Ich habe in London den Bau dreier Kriegsschiffe in Auftrag gegeben«, fuhr er fort.

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