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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Armen-Seite!«, befahl Daniel und war, gefolgt von einer begeisterten Kompanie von Schaufelträgern, in wenigen Minuten dorthin befördert worden. Das war die Stelle, wo Daniel bei seinem ersten Besuch gesehen hatte, wie ein Gefangener unter die Pumpe gelegt wurde. Er zog ein Dokument hervor. Es war in Realen Zeichen geschrieben: selbst für die gebildetsten unter den Schuldgefangenen völlig unverständlich, was gut war, da es sich in Wirklichkeit um eine vor langer Zeit von Hooke verfasste Beschreibung eines Uhrwerks handelte. »In dieser Schrift heißt es: Geht von hier aus fünfzig Schritte entlang einer Linie, die parallel zum Ditch verläuft, bis ein bestimmter Baum erreicht ist«, verkündete er und ließ verlauten, dass er abzusteigen wünschte. Seine Träger ließen ihn hinunter, und er bewegte sich rückwärts bis an den Rand der Zisterne, wandte sich nach Norden und ging mit großen Schritten los: »Eins, zwei, drei …«
    Als er bei zehn angelangt war, zählten sie bereits mit ihm zusammen. Bei fünfzig marschierten sie alle im Stechschritt über den Bemalten Grund und riefen im Sprechchor.
    »Kein Baum«, bemerkte Daniel in der Stille, die darauf folgte. »Natürlich, der ist im Großen Feuer verbrannt. Wir müssen irgendwie weitermachen und dabei im Kopf behalten, dass hier wahrscheinlich ein Irrtum vorliegt.« Er schaute sich das Dokument genau an, drehte es mal in die eine, mal in die andere Richtung, bis viele unruhig geworden waren und manche sogar schon begonnen hatten, Löcher zu graben. »›Wendet Euch nach rechts und geht noch einmal hundert‹, steht hier, was mich ein bisschen verwirrt«, sagte Daniel mit einem Blick nach oben zur Gefängnismauer, die ihnen jede Bewegung nach rechts verwehrte. »Allerdings muss man bedenken, dass das Gefängnis, das damals hier stand, kleiner war. Wir müssen eine Entfernung von hundert Schritten in diese Richtung messen.« Worauf er seine Hand zum Gefängnis ausstreckte.
    Nun hatte jeder in dieser Gesellschaft eine andere Vorstellung davon, wie das zu bewerkstelligen sei, sodass es zehn Minuten lang so schien, als hätte das Fleet die Insassen mit Bedlam getauscht, denn überall kletterten Leute durch Fenster, spannten Bindfadenstücke quer durch die Zellen anderer Insassen, schritten Außenmauern ab und zogen Stöcke durch den Dreck. Nach einer Weile kamen jedoch zwei Drittel von ihnen am nahegelegenen Rand des Spielfeldes wieder zusammen. Kleinere Gruppen von Schreitenden und Messenden, die abweichender Meinung waren, steckten mehr oder weniger weit verstreute Positionen ab, von denen sie behaupteten, das seien die richtigen.
    »Hier sollte eigentlich noch ein anderer Baum stehen, aber der ist weg«, sagte Daniel. Er verbrachte eine Weile mit Lesen und blinzelte zur Kuppel von St. Paul’s hinauf. »Der Turm der alten St. Paul’s befand sich natürlich auch an einer etwas anderen Stelle«, erklärte er ihnen, »aber zum Glück bin ich alt genug, um mich daran zu erinnern.« Er ging mit großen Schritten über das Spielfeld zu diesem Orientierungspunkt, auf den er sich angeblich besann, während sich die verschiedenen Abweichlergruppen parallel zu ihm bewegten und eifersüchtig seine Schritte zählten. Unmittelbar vor der Gefängnismauer blieb er stehen und machte dann fünf Schritte nach links, bis er am Rand eines flachen steinernen Abflussgrabens stand, der ein Stück am Fuß der Mauer entlanglief. Er schaute sich nach rechts und links um, angeblich, um Orientierungspunkte zu überprüfen, aber in Wirklichkeit spähte er die Soldaten aus. Alle zwölf waren von ihrem Sergeanten aus ihren Zelten gerissen worden und standen jetzt, die Gesichter nach außen gewandt, mit aufgepflanzten Seitengewehren wie eine Streikpostenkette vor der Vorderseite des Verliesgebäudes. Der Sergeant stand vor der Kette. Vor ihm standen mehrere Größen des Inspektorengerichts, die anscheinend einen Puffer zwischen den Soldaten und den Schaufelnden bilden wollten. Sie alle hatten Daniel wachsam beobachtet, während er sich dem am nächsten stehenden Soldaten bis auf ein halbes Dutzend Ellen genähert hatte. Aber näher kam er nicht. »Hier, sagen uns die Instruktionen, sollen wir graben«, verkündete er und stampfte auf den Boden. Und dann tanzte er aus dem Weg, damit sein Fuß nicht von einem Schaufelblatt abgetrennt wurde. Als er kurz aufblickte, bemerkte er, dass die Soldaten etwas erleichtert aussahen. In der Düsterkeit hinter ihnen spurtete ein kräftiger Mann zum Abort,

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