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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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einer Dachkammer verkrochen, die nicht weniger düster ist als diese Gruft, und mehrere Wochen lang meine Briefe nicht beantwortet. Ich befürchtete schon, ihm sei nicht nach öffentlicher Anklage. Doch als er in die feine Gesellschaft zurückkehrte, siehe da!, wusste er mehr über Uhren und die Leute, die sie herstellen, als sonst ein lebender Mensch -«
    »Das ist reine Schmeichelei, Sir«, protestierte Daniel. »In einem aber gebe ich Euch recht: Wenn der Club sein Ziel erreichen soll, müssen wir so viel wie möglich über die fraglichen Höllenmaschinen in Erfahrung bringen. Sie sind von einem Uhrwerk angetrieben worden, dessen könnt Ihr sicher sein. Nun habe ich vor dreißig Jahren Huygens und Hooke gekannt, die berühmtesten Uhrmacher ihrer Zeit. Doch als ich nach London zurückkehrte, musste ich feststellen, dass ich in die Geheimnisse dieser Technologie nicht mehr eingeweiht und mit denen, die sie praktizieren, nicht mehr vertraut bin. In meinem Eifer, dem abzuhelfen, habe ich von Zeit zu Zeit meine guten Manieren vergessen und Uhren und Taschenuhren geöffnet, um ihre Funktionsweise zu untersuchen und die charakteristischen Merkmale ihrer Hersteller zu enträtseln, woran mich Mr. Threader boshafterweise erinnert hat. Die Folge: Wir kommen hier in Clerkenwell zusammen!«
    »Warrum zum Chenkerr kommen wir chierr zusammen?«, wollte eine neue Stimme wissen.
    »Gott schütze Euch, Mr. Kikin!«, antwortete Mr. Orney nicht sehr informativ.
    »Wenn Ihr pünktlich gekommen wärt«, sagte der reizbare Mr. Threader, »hättet Ihr gerade von Dr. Waterhouse eine Antwort bekommen.«
    »Meine Kutsche steckt bis zu den Achsen in einem Sumpf«, lautete Mr. Kikins Antwort.
    »Dieser Sumpf ist eine wertvolle Entdeckung«, sagte Mr. Orney, der jovial wurde, wenn Mr. Threader schlechte Laune bekam. »Baut einen Zaun drum herum, nennt ihn Mineralbad, verlangt einen Shilling Eintritt, und bald werdet Ihr Euch einen Phaeton kaufen können.«
    Der Russe stieg unbesonnenerweise eine aus dem zwölften Jahrhundert stammende, glitschige Treppe in seinen eigenen Schatten hinab. Auf den Boden vor ihm wurde von oben ein flackerndes, orangefarbenes Trapezoid projiziert, das hin- und herglitt wie ein vom Baum fallendes Blatt. Daraus war zu schließen, dass Mr. Kikins Begleiter, der zu groß war, um die Krypta zu betreten, in der Vorkammer am oberen Ende der Treppe stand und in dem Bemühen, an seinem Herrn vorbeizuleuchten, eine Fackel schwenkte.
    »Die Feuchtigkeit hier wird uns umbringen«, prophezeite Mr. Kikin in gleichmütigem Ton, als würde er jeden Morgen vor dem Frühstück umgebracht.
    »Solange die Kerzen nicht ausgehen, haben wir von dieser Atmosphäre nichts zu befürchten«, sagte Daniel, der es gründlich satt hatte, dass halbgebildete Menschen alle ihre Probleme der Feuchtigkeit zuschrieben. »Ja, von der feuchten Erde sickert Wasser hier ein. Aber Mr. Orney hat soeben auf die wunderbare Reinheit dieses Wassers hingewiesen. Warum, glaubt Ihr, haben die Tempelritter ihren Tempel hier gebaut? Deshalb, weil die Nonnen von St. Mary und die Malteserritter ihr Wasser aus demselben Brunnen hier geschöpft haben und nicht daran gestorben sind. Ein Stück weit die Straße hinauf bezahlen reiche, vornehme Leute sogar Geld dafür, in ebendiesem Wasser baden zu dürfen.«
    »Warum kommen wir dann nicht dort zusammen?«, schlug Mr. Kikin vor.
    »Ich unterstütze den Antrag!«, rief Mr. Threader aus.
    »Weil -«, begann Daniel. Doch dann hörte er vom oberen Treppenabsatz einen Gesprächsfetzen. Das Lichttrapezoid wurde breiter und bewegte sich zur Seite. In seiner Mitte erschien ein neuer Schatten. Das fünfte und letzte Mitglied kam die Treppe herunter. Daniel ließ ihm etwas Zeit, in Hörweite zu kommen, dann fuhr er laut fort: »Weil wir keine Aufmerksamkeit auf uns lenken wollen! Wenn unsere Nemesis einen Uhrmacher oder überhaupt einen Hersteller irgendwelcher empfindlicher Instrumente beschäftigt, so wird die Werkstatt des Schurken wahrscheinlich in Musketenschussweite von diesem Tempel liegen.«
    »Manche würden es einen Tempel nennen, andere würden von einem Schutthügel in der Mitte eines Schweinepferchs sprechen«, sagte Mr. Kikin, der dabei Augenkontakt mit Mr. Threader aufnahm und einen herzlichen Blick zurückerhielt.
    »Hügel ist ein zu großes Wort, Sir. Auf Englisch sagt man ›Buckel‹.«
    »Wer das täte, verriete einen schweren Mangel an Immobilien-Scharfsinn«, gab Daniel zurück, »denn die drei Erfordernisse

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