Principia
Parabel – ich möchte sogar behaupten, geradezu eine Satire - auf den Niedergang des Menschen!«, verkündete Mr. Orney zur Begrüßung, während er die Treppe in die Krypta hinunterstampfte.
Hätte er Bestürzung an den Tag gelegt, auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre die Treppe wieder hinaufgerannt, hätte hier kein Mensch geringer von ihm gedacht.
Mr. Threader – der eine Viertelstunde früher eingetroffen war – hatte sich ziemlich entsetzt gezeigt. »Es ist geweihter Boden, Sir«, hatte Daniel ihm gesagt, »nicht irgendein heidnisches Hügelgrab. Diese Menschen hier sind angesehene Mitglieder der Gemeinschaft der Toten.« Und er hatte die Hand in ein Gewirr fahler Wurzeln gesteckt und sie herausgerissen, sodass ein altes, mit kondensierter Feuchtigkeit beperltes Messingschild zum Vorschein gekommen war, versehen mit einer rechten Pfuscharbeit aus eingestochenen, groben Buchstaben, von denen keine zwei die gleiche Größe hatten – offensichtlich von einem mittelalterlichen Handwerker kopiert, der nicht gewusst hatte, was sie bedeuteten.
Sie wieder in lateinische Wörter und Sätze zu überführen war eine Arbeit für geduldige Schreiber oder Kleriker. Aber man befand sich hier in Clerkenwell, wo solche schon seit mindestens fünfhundert Jahren ihr Wasser holten. Entziffert, besagten die Buchstaben, dass unter dieser Platte die sterblichen Überreste eines gewissen Theobald ruhten, eines Tempelritters, der in einem Stück nach Jerusalem gegangen und in mehreren Stücken wiedergekommen war. Daneben befand sich noch eine Platte, die Ähnliches von einem anderen berichtete.
Im Gegensatz zu Mr. Threader schien Mr. Orney von der Umgebung nicht im Geringsten aus der Fassung gebracht. Daniel hatte darauf geachtet, Kerzen und Laternen aufzustellen, wo immer es ging, im Allgemeinen also auf den Deckeln des halben Dutzends klotziger Sarkophage, die den größten Teil des Bodens in Anspruch nahmen. In ihrem Licht ließ sich ein Deckengewölbe ausmachen. Es war dies kein erhabenes, sich in Dämmer verlierendes Gewölbe. Es war gerade so hoch, dass ein Bischof die Mitte entlanggehen konnte, ohne sich die Mitra mit Schleim zu besudeln. Aber die Steine waren gut zusammengefügt, und der Raum war erhalten geblieben, ein Lufteinschluss in der Erde, unberührt von dem, was oben geschehen mochte.
Mr. Orney blieb einen Moment lang am Fuß der Treppe stehen, damit sich seine Augen an die Verhältnisse gewöhnten – was sehr klug von ihm war -, dann trat er auf Daniel und Mr. Threader zu, wobei er mit seemännischer Anmut nahezu unsichtbaren Pfützen auswich, während er sich zwischen den Sarkophagen hindurchschlängelte. Er legte einen Mangel an Neugier und eine dezidierte Ehrfurchtslosigkeit an den Tag, die bei einem anderen Mann unfehlbarer Beweis von Dummheit gewesen wäre. Da Daniel wusste, dass er nicht dumm war, nahm er an, dass es sich um so etwas wie eine religiöse Meinungsäußerung handelte; für einen Quäker waren diese papistischen Kreuzritter ebenso primitiv und irrelevant wie ein Clan piktischer Heiden.
»Warum, Bruder Norman? Weil der Fleet, wie das Leben, kurz und stinkend ist?«, erkundigte sich Daniel höflich.
»Der Gestank am Ende ist nur deshalb bemerkenswert, weil der Fleet am Anfang so rein und klar dahinfließt, geht er doch aus diversen Brunnen, Löchern, Bächlein und Quellen in dieser Gegend hervor. So fällt auch ein Säugling, frisch aus dem Mutterleib, alsbald allen möglichen unschönen, weltlichen -«
»Wir haben verstanden«, sagte Mr. Threader.
»Und dennoch ist die Entfernung zwischen den beiden so kurz«, fuhr Mr. Orney fort, »dass ein kräftiger Mann« (er meinte sich selbst) »sie in einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen kann.« Er tat so, als sähe er auf seine Uhr, zum Beweis, dass dies keine Übertreibung war. Doch hier unten war es zu duster, um das Zifferblatt zu erkennen.
»Zeigt unserem Gastgeber ja nicht Euren Zeitmesser, Sir, er wird ihn zerlegt haben, ehe Ihr ›Obacht, das ist teuer!‹ sagen könnt!«, sagte Mr. Threader, der sich so anhörte, als wisse er, wovon er sprach.
»Schon gut«, sagte Daniel, »ich erkenne die Uhr als Arbeit von Mr. Kirby, wahrscheinlich aus seiner Gesellenzeit bei Mr. Tompion vor neun Jahren.«
Dies rief eine kurze, aber tiefe – man könnte sogar sagen Grabes- – Stille hervor. »Gut erkannt, Bruder Daniel«, sagte Mr. Orney schließlich.
»Nach der mysteriösen Explosion«, bemerkte Mr. Threader, »hat sich Mr. Waterhouse in
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