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Pringle in Trouble

Pringle in Trouble

Titel: Pringle in Trouble Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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großem
Gepäck. Es sah so aus, als hätte sie sich nicht einmal etwas zum Lesen
mitgebracht. Vielleicht in der Nachttischschublade? Aber dort mochte er nicht
nachsehen. Wenn jemand solchen Wert darauf legte, seine persönlichen Sachen
wegzuschließen, so mochte er sich über dieses Bedürfnis nicht hinwegsetzen.
Aber irgendwie empfand er ihr Verhalten auch als unangenehm. Sie war — er
suchte nach dem richtigen Wort — geheimniskrämerisch.
    Mrs. Arburthnots Zimmer dagegen quoll
nur so über. Es zu betreten hieß, das Chaos zu vergrößern. Mr. Pringle stand
eine Weile unter der Tür, um zu überlegen, wo er sich am besten durchschlängeln
konnte. Es war schwierig. Überall auf dem Boden verstreut lagen Schuhe, die
Schranktür war offen, sie war wegen der blassen von Kleidern nicht mehr zu
schließen. Ein kurzer Blick ins Badezimmer ließ ihn zurückzucken. Unmengen von
Fläschchen, Tiegeln und Töpfchen! Und warum hatte sie den Rasierapparat nicht
wenigstens hinterher gereinigt? Seinen Widerwillen überwindend, nahm er jedes
der kleinen Gefäße hoch, um prüfend daran zu riechen. Die meisten trugen ein
kleines Schild: «Probe. Nicht zum Verkauf bestimmt.» Neben ihrem Bett entdeckte
er eine Reihe Zeitschriften, bei denen jeweils die Titelseite fehlte. Hatte sie
sie entfernt, weil sie einen Bibliotheksstempel trugen? Vorsichtig zog er
einige Kleider aus dem vollgestopften Schrank, ging damit zum Fenster und
betrachtete sie mit prüfendem Blick. Ihn als Modeexperten zu bezeichnen wäre
wahrscheinlich etwas übertrieben gewesen — hätte man ihn hinterher gefragt, von
welcher Farbe die Kleider gewesen seien, hätte er vermutlich nur mit den
Achseln gezuckt — , aber er verstand etwas von Schnitten. Dies verdankte er
seiner Großmutter, der er des öfteren zugeschaut hatte, wenn sie an ihrer
Nähmaschine arbeitete, nicht selten den Tritt für sie bedienend. Und so
deutlich, als habe er es gestern noch gesehen, stand ihm das kleine Kärtchen
vor Augen, das, so lange er sich erinnern konnte, in der rechten Ecke ihres
Wohnzimmerfensters gesteckt hatte:
     
    EHEMALS NÄHERI
    IM SALON EINES
    HOFSCHNEIDERS
    Spezialisiert
auf Änderungen
     
    Sie war es auch gewesen, die ihm den
Unterschied zwischen eleganten und eher schlichten Schnitten erklärt und ihn
gelehrt hatte, sich einen Stoff durch die Finger gleiten zu lassen und
anschließend über seine Qualität zu befinden. Mrs. Arburthnots Kleider waren
zwar aus Seide, aber diese Seide war vom vielen Tagen schon fadenscheinig
geworden. Ein säuerlicher Geruch entströmte ihnen, so als ob sie nur selten
gelüftet würden. Er registrierte, daß die Säume nur höchst unzulänglich
umgenäht waren. Und was die modische Qualität anging... Mr. Pringle hielt eines
der Kleider auf Armeslänge vor sich und musterte es prüfend. Trug man im Moment
wirklich derartig enge Oberteile? Er nahm sich eine der Zeitschriften, schlug
sie auf und betrachtete ein Foto von Prinzessin Diana. Ihr Busen war, ganz wie
er sich gedacht hatte, von lose fallendem Gewebe umhüllt. Auch enge Taillen
schienen wieder en vogue zu sein. Stirnrunzelnd las er die eingenähten
Etiketten und entschied, daß Mrs. Arburthnots Garderobe aus zweiter Hand und im
Stil völlig überholt sei. Angesichts der Zahl ihrer Kleider lag der Schluß
nahe, daß sie mangelnden Schick durch Quantität zu kompensieren suchte. Er
mußte daran denken, was ihm die Besitzerin einer Secondhandboutique vor einiger
Zeit gesagt hatte: «Meine Kundinnen gehören zu den ‹Neuen Armem, aber sie haben
noch ihren Stolz. Und das macht sie sehr anfällig. Wenn ich es darauf anlege,
irgendeinen alten Ladenhüter loszuwerden, dann brauche ich ihnen bloß zu
erzählen, dieses Kleid oder Kostüm, oder was auch immer, hätte einmal einer
Herzogin gehört, und schon reißen sie es mir aus den Händen.»
    Auf dem Nachttisch an ihrem Bett stand
ein Foto. Es zeigte eine Gruppe lächelnder Frauen neben einem von tropischen
Pflanzen umgebenden Swimmingpool. Im Hintergrund sah man einige Diener in
weißen Jacketts, auf dem Sprung, jedem Wunsch der Memsahibs sofort
nachzukommen. Jener Typ Frauen, dachte Pringle, verwöhnt und egozentrisch, war
zusammen mit dem Kolonialreich verschwunden. Er schüttelte den Kopf. Wenn man
Miss Brown Glauben schenken durfte, hatte Sheila Arburthnot sich nichts
sehnlicher gewünscht, als im Kreis dieser Luxusgeschöpfe akzeptiert zu werden.
Auf dem Boden des Papierkorbs lag ein Häufchen Papierschnitzel. Sie
zusammensetzend,

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