Pringle in Trouble
Höhepunkt
erreicht, teilte ihnen der völlig entnervte Schulsekretär mit, zwar sei es ihm
gelungen, Ersatz für das erkrankte Modell zu finden — Mrs. Bignell habe sich
bereit erklärt, kurzfristig einzuspringen —, einen Lehrer habe er jedoch in der
Kürze der Zeit nicht auftreiben können. Unter den Studenten, die nach und nach
den Raum betragen und rund um das Podest ihre Plätze einnahmen, waren nicht
wenige, die überrascht feststellten, daß ihnen Mrs. Bignell aus der Bar des
«Bricklayer», wo sie ebenfalls bisweilen «einsprang», bereits bekannt war. Der
— nach Meinung aller — künstlerisch bereits am weitesten fortgeschrittene
Schüler übernahm es, Mrs. Bignell aufzufordern, ihren Bademantel abzulegen und
sich bequem hinzusetzen. Mavis Bignell entledigte sich ihres Kleidungsstücks
ohne Umstände und lehnte sich dann behaglich auf dem Stuhl zurück. «Ich habe
mich noch nie vor so vielen Männern ausgezogen», sagte sie und lachte laut und
herzlich, «aber es ist angenehm zu sitzen, vor allem für die Beine.»
Die jungen Männer blickten auf sie mit
Abscheu. Sie waren knabenhafte, geschlechtslose, magersüchtige Geschöpfe
gewöhnt, die sie mit klinischer Distanz betrachten konnten. Hier war plötzlich
Fleisch — und gleich Massen davon. Mrs. Bignell erinnerte sie an ihre Mutter —
und Mütter hatten gefälligst angezogen zu bleiben. Mr. Pringle dagegen fühlte
sich an Rubens erinnert und war hingerissen. Weiche, runde Arme kreuzten sich
über einem fülligen Leib, kräftige Schenkel spreizten sich einladend, große,
feste Brüste reckten sich verlockend in die Höhe. Das Gekräusel ihrer Scham war
direkt in Augenhöhe, an einigen Tizian-goldenen Löckchen brach sich das Licht.
Mr. Pringle stellte seine neue Leinwand auf und legte los. Zögern war hier
unangebracht. Dick trug er das cremige, sinnlich glänzende Weiß auf, so als
wolle er ihren Körper formen, nicht ihn malen. Unter seinen vor Erregung
zitternden Händen gewann die «Liegende Venus» überwältigend Gestalt. Kaum, daß
er einmal innehielt, so riß ihn der Strom seiner erotischen Phantasie mit sich
fort. Und selbst noch in der Teepause machte er weiter, gestaltete den
Hintergrund als klassischen Olivenhain.
Als die Uhr vom Rathaus zehn schlug,
erklärte derselbe Schüler der Mrs. Bignell zu Anfang aufgefordert hatte, ihren
Bademantel abzulegen, sie könne sich nun entspannen, die Sitzung sei vorbei.
Sie zog sich ihren Bademantel über, stieg vom Podest herunter und begann zwischen
den Reihen der Schüler umherzugehen. Diejenigen, die nur eine knappe
Kohleskizze hingeworfen hatten, tadelte sie als faul, andere, die aus dem
Gedächtnis ranke, schlanke Körper gezeichnet hatten, wurden ermahnt, besser
hinzusehen. Unmut machte sich breit. Wo kam man denn hin, wenn die Modelle
anfingen, Kritik zu üben. Aber da hatte Mrs. Bignell Mr. Pringle entdeckt. «Er
hier hat’s gepackt. Kommt alle her, und seht es euch an.»
Widerstrebend traten sie näher. Riesige
Arme und Beine schienen unter dem schieren Gewicht der Farbe
auseinanderzuquellen, der massige Rumpf lag in einem grotesken Winkel, ihre
dunkle Scham ließ ihre Lider zittern. Aus mondgleichem Gesicht schien die Venus
ihnen spöttisch zuzulächeln. Hinter ihr im Olivenhain hob eine zottige Gestalt
tänzelnd den behuften Fuß. In das schockierte Schweigen hinein sagte eine
Stimme: «Scheußlich.»
«Nein, ist es nicht.» Mrs. Bignell war
nicht im geringsten irritiert. «Es ist großartig. Und es ist fertig.» Sie
drehte sich zu dem erschöpften Künstler um. «Nicht wahr, ich habe recht, es ist
schon fertig?» Er nickte. «Ich wußte es, ich wußte es», sagte sie befriedigt.
«Ich habe es an der Farbe gemerkt.» Mit strenger Miene wandte sie sich an die
kichernde Gruppe: «Da seht ihr, was ihr leisten könntet, wenn ihr euch nur Mühe
geben würdet.»
Das war denn doch zuviel. Sie drehten
sich um und verließen überstürzt den Raum, die noch nasse Palette achtlos unter
den Arm geklemmt. Mrs. Bignell wartete, bis der letzte von ihnen außer Hörweite
war, dann stieß sie Mr. Pringle sanft mit dem Ellbogen in die Rippen: «Also,
was ich besonders klug von Ihnen finde, ist, daß Sie gleich gesehen haben, daß
es mir Spaß macht, es zu tun.» Mr. Pringle wurde rot.
Später — sehr viel später — nach einem
Drink und einem kleinen Abendbrot fragte sie ihn: «Warum hast du eigentlich den
Ziegenbock mit draufgemalt?»
«Oh... Du meinst den Satyr?»
«Was ist das... ein
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