Pringle in Trouble
wiedergebracht. Ich
fand ihn heute abend auf dem Frisiertisch, keine Ahnung, wie er dahingekommen
ist.»
Mr. Pringle räusperte sich, um
festzustellen, ob er noch die Verfügung über seine Stimme hätte. «Haben Sie ihn
dabei?» fragte er und streckte die Hand aus.
«Nein, ich habe ihn natürlich gleich
ins Feuer geworfen!»
«Was?!»
Beweisstücke waren Mr. Pringle heilig, s i e
zu zerstören kam einem Sakrileg gleich. Finster blickte er sie an. «Es
war doch meiner», protestierte sie weinerlich. «Er war allein für Valter
bestimmt, und jetzt, da er tot ist...»
«Aber es war ein Beweisstück, Miss
Brown. Sie hätten ihn der Polizei übergeben müssen.» Es kostete Pringle Mühe
ruhig zu bleiben.
«Das hätte ich auf gar keinen Fall
getan!» sagte sie heftig. «Am Ende hätten sie ihn vielleicht noch gelesen!» Sie
war vor Erregung ganz rot geworden. «Diese Geschichte ging nur Valter und mich
etwas an.»
Er seufzte. «Andererseits hätte der
Brief Ihre Aussage gestützt, und Ihre Position gegenüber der Polizei wäre
weitaus eindeutiger gewesen...»
Das hätte er nicht sagen sollen, es
regte sie nur noch mehr auf: «Sie glauben also, ich hätte gelogen...»
«Aber liebe Miss Brown, es geht hier
nicht darum, was ich glaube...»
«Ich habe noch nie gelogen, und ich
habe auch gestern keine Lüge erzählt», sagte sie beleidigt. «Ich habe diesen
Brief geschrieben, und ich habe ihn unter Valters Tür durchgeschoben, während
Sheila Arburthnot bei ihm im Zimmer war.»
«Aber das wissen wir doch alles schon.»
«Ja, stimmt», sagte sie etwas
kleinlaut. Für einen Moment hatte er sie außer Gefecht gesetzt, doch sie
rappelte sich sogleich wieder auf: «Haben Sie sie gefragt — Mrs. Arburthnot
meine ich?»
«Mrs. Arburthnot hat gegenüber der
Polizei eine Aussage gemacht», entgegnete er vorsichtig.
«Ich wette, sie hat geschwindelt.»
«Ich... ich glaube nicht...» Am Ende
jedenfalls nicht, dachte er.
«Hat sie schon früher immer getan.»
Miss Brown ließ sich von ihrer Meinung nicht so leicht abbringen.
Er versuchte, interessiert zu
erscheinen: «Ach wirklich...?»
Miss Brown nestelte am Gürtel ihres
Morgenmantels. «Das war ja noch nicht einmal das Schlimmste. Aber einmal hat
sie etwas wirklich Unverzeihliches getan. Ich kannte nämlich Eric zuerst,
müssen Sie wissen...»
«Ah so.»
Miss Brown wurde über und über rot.
«Ich war ein bißchen älter als er, aber das spielte keine Rolle. Wir haben
immer zusammen Tennis gespielt, gemischtes Doppel. Es hat mir Spaß gemacht. Ich
war damals gut in Form. Eric war auch nicht schlecht, und er wurde von Woche zu
Woche besser — bis plötzlich sie auftauchte. Hat noch so getan, als hätte sie
schrecklich viel Mitgefühl mit mir, als ich für ein paar Tage wegen eines
Weisheitszahns ins Krankenhaus mußte... Danach hat er nie wieder mit mir
gespielt...» Sie war den Tränen nahe. Mr. Pringle wußte nicht recht, wie er
sich verhalten sollte.
«Es tut mir sehr leid», sagte er
schließlich. Sie begann zu weinen.
«Es hat niemals mehr einen anderen
gegeben», flüsterte sie leise. «Sie war doch jünger als ich... Sie hätte so
leicht einen anderen Mann gefunden... Eric hätte sich scheiden lassen können,
und wir hätten geheiratet...»
Mr. Pringle starrte blicklos auf den
Boden. Verlassen zu werden ist einer der schlimmsten Schmerzen überhaupt,
dachte er, aber er wußte nicht, was er hätte tun können, ihn zu lindern. Er
wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Nach einer Weile zog sie ein
paarmal die Nase hoch, wie üblich hatte sie kein Taschentuch. «Es geht wieder,
glaube ich. Können Sie mich jetzt wohl wieder auf mein Zimmer zurückbringen?
Falls der Mörder noch unterwegs ist...»
Mr. Pringle war nicht gerade tapfer,
aber er war ritterlich; er stand sofort auf. «Aber natürlich», sagte er.
Sie traten auf den Korridor hinaus.
Hatte der Inspector nicht gesagt, er wolle für jeden Flur einen Mann zur
Bewachung abstellen? Bestürzt sah er jetzt, daß dem offenbar nicht so war. Er
hatte zwar durchaus Verständnis, daß versucht wurde, die Zahl der Überstunden
im öffentlichen Dienst zu reduzieren, aber es gab doch wohl Ausnahmen, oder? Rentner
jedenfalls verdienten Schutz, fand er. Miss Brown schloß ihre Tür auf. «Gute
Nacht», sagte sie, «und passen Sie auf dem Rückweg auf sich auf.»
Mochte auch die übrige Polizei
schlafen, ein Mann war nichtsdestotrotz auf dem Posten, entschlossen zu zeigen,
was in ihm steckte. Auf
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