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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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in Erdmulden. In letzter Sekunde war es dem Kurier des Gestapo-Chefs Heinrich Müller gelungen, den Kompaniechef der ›polnischen‹ SS-Einheit von dem Überfall zurückzupfeifen. Die SD-Schüler aus Bernau in polnischen Uniformen zogen wieder in ihren Tanzsaal ab, um eine weitere Woche lang bei Schnaps und Sonderverpflegung auf den Einsatz zu warten.
    Gegen zwei Uhr nachts konnte Müller die Prinz-Albrecht-Straße verständigen. Jetzt, da Heydrich hätte erleichtert sein müssen, tobte er sich aus:
    »Wenn beim nächsten Mal die kleinste Panne passiert«, schrie er in die Leitung, »dann sind Sie geliefert, Müller! … Sorgen Sie dafür, daß diese unfähigen Trottel schnellstens abgelöst werden! … Aber sofort!«
    Werner Stahmer, der Agent des Satans, fuhr noch in der gleichen Nacht nach Gleiwitz zurück. Die hundert ›Konserven‹, KZ-Häftlinge in Wehrmachtsuniformen, zogen in eine Feldscheune ab.
    Am Morgen kam der Sturmbannführer mit seiner SS-Wache wieder, die sich in der Nacht zu schnell in Sicherheit gebracht hatte, wodurch die Verbindung nach Oppeln abgerissen worden war. Der Offizier sah schlecht aus. Sein Gesicht war aufgequollen. Sein Atem roch übel. Die gelben Pupillen waren von roten Fäden wie von ekligem Gewürm durchzogen. Der Mann bot das übliche Bild des Herrenmenschen vor zwölf Uhr mittags. Dabei wußte er noch gar nicht, wie schlecht ihm die Nacht tatsächlich bekommen sollte …
    Um dreizehn Uhr kam Gestapo-Chef Müller. Er nahm auch vor hundert KZ-Häftlingen kein Blatt vor den Mund. »Sie Trottel!« brüllte er den Sturmbannführer an. »Ich löse Sie ab … wegen Unfähigkeit!« Eine Handbewegung Müllers umriß das weitere Schicksal des Einsatzleiters. Er hatte in der Versenkung zu verschwinden. Für immer.
    Müller brachte den neuen Mann gleich mit. Es war ein schweigsamer Hauptsturmführer. Wachablösung in einem Verbrechen ohnegleichen.
    In seinem Hauptquartier in Oppeln grübelte Gestapo-Müller die Aktion Himmler noch einmal durch. Wo war eine Lücke? Wodurch konnte eine neuerliche Panne entstehen? Der Plan wurde nicht geändert. In keinem Punkt. Der hundertfache Mord war nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Müllers Verstand, der das Niveau eines Hilfspolizisten selten überschritt, fand die letzten technischen Fehler heraus. Natürlich, man hatte vergessen, den ›Konserven‹ das Blutgruppenzeichen einzubrennen. Es wurde nachgeholt. Von jetzt ab trugen die Opfer das Kainsmal ihrer Bewacher. Hundert Tote, überlegte Müller weiter, stimmt auch nicht, die Zahl wirkt zu frisiert. Er lächelte diabolisch. Denn jetzt wußte er, wie er sie ändern konnte.
    Dann gab er Anweisung, daß die Bewacher der KZ-Häftlinge sich erst nach Beginn der Schießerei zurückziehen durften. Zusätzlich wurden sie mit einem Feldtelefon ausgerüstet.
    Und weiter ging Müller den Plan des Teufels durch: Gleiwitz … Gewiß, Stahmer hatte gespurt. Er war in das Sendehaus eingedrungen und konnte sich sogar wieder zurückziehen, ohne übertriebenes Aufsehen zu erregen. Auf alle Fälle war der Überfall auf den Reichssender für das nächste Mal um zwei Stunden vorverlegt worden. Start: Zwanzig Uhr null zwei.
    Aber der Agent hatte bei Müller Kredit verloren. Der Gestapo-Mann traute ihm nicht mehr. Seine Weigerung, auf Volksgenossen zu schießen, paßte dem größenwahnsinnigen Polizeiinspektor nicht. Er kannte Stahmer. Der Vorzugsschüler Heydrichs war kein leerer Schwätzer. Müller brauchte ihn noch. Deshalb konnte er ihn nicht ablösen. Hinterher würde es auch noch Schwierigkeiten mit Stahmer geben. Man durfte ihn nicht so leicht abtun. Er war zu bekannt. Er stand bei Heydrich in Gunst. Himmler hatte ihn angelächelt und Hitler seine Hand gedrückt.
    Müller rief den Agenten an. »Alles klar?« fragte er.
    »Jawohl«, erwiderte Stahmer, ohne Müllers Dienstgrad zu erwähnen.
    »Passen Sie auf«, fuhr der Gestapo-Chef fort, »ich schicke Ihnen noch einen Mann …«
    »Ich brauche keinen«, versetzte Stahmer, »das bringt nur meinen Plan durcheinander.«
    »Unsinn«, schnitt ihm Müller das Wort ab. »Sie brauchen sich um den Mann nicht zu kümmern … Er wird selbständig operieren.« Ohne Übergang hängte der Gruppenführer mit dem kahlen Hinterkopf und den unsteten Augen ein.
    Stahmer lief in seinem Hotelzimmer unruhig auf und ab. Das war es also: Der erste Ausdruck des Mißtrauens. Ein Mann, den er nicht kannte und der ihm auf die Finger sehen sollte. Von mir aus, dachte der Agent

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