Prinz Charming
miteinander an. »Auf die Wildnis und unser neues Leben!«
»Und auf die Freiheit!« ergänzte Victoria.
»Wir verspäten uns, Taylor.« In ihr Gespräch vertieft, hatten sie Lucas’ Rückkehr in den Speisesaal nicht bemerkt. Er sah nicht besonders glücklich aus, und seine Frau lächelte, um ihn aufzuheitern.
»Nein, wir haben noch genug Zeit.«
»Aber ich will’s hinter mich bringen.« Er griff nach ihrem Arm und zog sie auf die Beine. »Allzulange dürfte es nicht dauern. Zu Mittag treffe ich einen Freund, der einen erstklassigen Hengst verkaufen möchte.«
»Länger als eine Stunde werden wir wohl kaum mit den Bankern reden. Nachher komme ich in dein Zimmer, Victoria. Am Nachmittag könnten wir einkaufen gehen. Begleitest du uns, Lucas?«
Er folgte ihnen in den Korridor hinaus. Allein schon der Gedanke an einen Einkaufsbummel zu dritt erschreckte ihn. »Ich bin anderweitig beschäftigt«, erinnerte er seine Frau.
»Den ganzen Nachmittag?«
»Die Farm meines Freundes liegt außerhalb der Stadt, und ich brauche zwei Stunden, um hinzufahren. Vor acht bin ich nicht im Hotel.«
»Warum runzelst du unentwegt die Stirn?«
»Weil ich es hasse, wenn man mich warten läßt.«
»Ich auch«, entgegnete sie fröhlich.
Nun mischte sich Victoria ein. »Ich finde, wir sollten nicht einkaufen gehen, Taylor. Immerhin bist du in Trauer.«
»Aber sie mußte ihrer Großmutter versprechen, nicht zu trauern«, erklärte Lucas.
»Ich will eine Kirche aufsuchen und eine Kerze anzünden«, kündigte Taylor an.
»Ja, das würde ihr sicher gefallen«, meinte ihre Freundin.
Eigentlich war Taylor nicht in der Stimmung für einen Einkaufsbummel, aber sie brauchte mehrere Sachen für die kleinen Mädchen. Vor allem mußte sie die beiden sehen und beschloß, sie zu besuchen, da Lucas erst am frühen Abend nach Boston zurückkehren wollte. Er würde gar nicht erfahren, daß sie das Hotel verlassen hatte, und sie brauchte sich nicht zu beeilen. Voller Vorfreude lächelte sie und hoffte, sie würde Mrs. Bartlesmith veranlassen können, in den Westen mitzukommen. Sicherheitshalber nahm sie sich vor, der Kinderfrau das genaue Ziel zunächst nicht zu verraten und nur anzudeuten, sie würden nach Texas ziehen.
Im dritten Stock verabschiedete sie sich von Victoria und folgte Lucas in ihr Zimmer, wo sie einige Papiere hervorsuchte. Sie hatte eine Liste von Fragen aufgestellt, die sie den Bankern stellen wollte. Bevor Lucas in die Berge ging und ehe sie selbst untertauchte, mußte alles geregelt werden. Nachdem sie die Blätter zusammengefaltet hatte, ergriff sie ihre Handschuhe, dann ging sie zur Tür.
Energisch versperrte Lucas ihr den Weg. »Ich sagte doch, du sollst dich umziehen, Taylor. In diesem gräßlichen Kleid will ich dich nicht sehen.«
»Aber ich finde, es entspricht dem Anlaß.«
»Deine Großmutter hat dir ein Versprechen abgenommen«, erwiderte er, öffnete Taylors Schrank und inspizierte ihre Garderobe. Schließlich nahm er ein Kleid vom Bügel. »Zieh das da an. Und beeil dich, sonst kommen wir zu spät.«
Angesichts seiner Wahl hätte sie beinahe gelacht. »Ich soll Rot tragen?«
»Ja.«
»Das ist ein Abendkleid.«
»Mir gefällt’s. Und deine Großmutter wäre sicher derselben Meinung.« Das Kleid in der Hand, ging er zu ihr.
Wenn er glaubt, ich würde in einer Samtrobe zu meinem Treffen mit den Bankern gehen, muß er verrückt sein, dachte Taylor. »Es sitzt nicht richtig.«
»Zieh’s an.«
»Damit wäre meine Großmutter nicht einverstanden.« Fest entschlossen, auf ihrem Standpunkt zu beharren, verschränkte sie die Arme vor der Brust.
»Sie wäre sogar begeistert. Im Himmel trägt man leuchtende Farben.«
Diese Worte stimmten Taylor um - nicht so sehr wegen der Mode, die im Himmel vorherrschte, sondern weil er glaubte, Lady Esther wäre dort gelandet. »Du bist sehr charmant, Lucas. Als mir meine Großmutter von dir erzählte, nannte sie dich meinen >Prinzen<.«
Warum redet sie solchen Unsinn, fragte er sich. Ihre Stimme erinnerte ihn an eine sanfte Sommerbrise, und er wußte nicht, worauf er diese plötzliche Verwandlung zurückführen sollte. Soeben hatte sie noch die Stirn in Falten gezogen wie eine mürrische alte Schulmeisterin. Und nun sah sie aus, als wollte sie ihn küssen oder in Tränen ausbrechen.
Aus welchen Gründen auch immer - bezüglich seines Charmes mußte er sie eines Besseren belehren. »Taylor, ich bin weder ein Prinz noch charmant - und nur ein Gentleman, um dir einen
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