Prinz der Düsternis
hier und…« Sein Blick fiel auf die Ärmel seines Burnus, und er schrak zusammen. Irgend etwas glitzerte fein auf dem Stoff wie Goldener Staub. Hrobon rang das Entsetzen nieder, das mit eisigen Klauen nach seiner Seele griff, und trieb Kusswind an. Der Pilzwald lag still und dunkel vor ihm. Nur tief zwischen den mächtigen Stämmen glaubte der Heymal ein schwaches Leuchten zu sehen. Es wies ihm den Weg. Sein Leben war verwirkt, sollte Shezad in den Irrlichtern den Tod gefunden haben. Mit dem Mut der Verzweiflung ritt Hrobon zurück in die eben noch heulende, nun trügerisch schweigende Hölle.
Sadagar sah ihn zwischen den Riesenpilzen verschwinden. In ohnmächtigem Zorn ballte er die Hände und stieß No-Ango in den Rücken. »Wir reiten ihm nach!« rief er. »Hörst du?«
Der Rafher hörte nicht. Ein Blick in sein Gesicht genügte Sadagar, um zu wissen, dass sein Geist nicht in dieser Welt weilte.
Zeternd und fluchend ließ der Steinmann sich zu Boden gleiten und rannte Hrobon nach. Zwei Vogelreiter setzten sich in Bewegung, um ihn an seinem Vorhaben zu hindern, doch als er die ersten Pilze erreichte, zügelten sie die Orhaken.
Sadagar war für sie verloren.
*
Mythor irrte halb taub und halb blind durch den Pilzwald, den Griff des Schwerts mit beiden Händen umklammert. Längst hatte er aufgehört, nach den Lichtern zu schlagen. Die Flammensäulen, in die er gestürzt war, hatten ihn nicht verbrannt, und doch war es gespenstisches Leben, das flackernd und wabernd über den Boden kroch. Kein Schlag konnte es auslöschen. Mythor zwang sich dazu, nicht auf die Stimmen zu hören, die in ihm waren und ihn zu locken versuchten, die flüsterten, er möge nicht weitergehen und sich zum Schlafe hinlegen, die von ewigem Seelenfrieden raunten und Glück und Freuden verhießen, wie sie Sterblichen nie zuteil werden könnten.
Er kämpfte dagegen an. Doch das Flüstern blieb und wurde stärker, als er über umgestürzte Pilze kletterte und den Atem anhielt, als der Gestank faulender Fruchtkörper in seine Nase drang. In seinen Haaren klebten Sporen. Mythor kniff die Augen zusammen, um klarer sehen zu können. Die Irrlichter flammten nur noch hier auf, wo sie Beute wussten. Ringsherum war der Pilzwald wieder dunkel und still. Das Heulen hatte sich gelegt.
Mythor arbeitete sich durch eine Welt des Moders. Er blieb stehen und rief nach Shezad. Einmal glaubte er, ganz schwach ihre Stimme zu hören. Das schien vor einer halben Ewigkeit gewesen zu sein. Doch er kannte die Richtung, in der er zu suchen hatte, und sein Herz mochte an die hundert Male geschlagen haben, als er das schwache Leuchten zwischen umgestürzten Stämmen sah. Er schritt schneller aus. Die wispernden Stimmen wurden lauter in ihm, als wollten sie ihn mit Gewalt am Weitergehen hindern. Dann jedoch stand er auf einem Stumpf und sah die Prinzessin mitten auf einer durch die Karawane geschaffenen Lichtung.
Mit einem Aufschrei sprang er zu Boden und lief auf Shezad zu, die reglos auf dem Rücken lag. Ihre weit geöffneten Augen spiegelten die Lichter wider, die sie ungestüm bedrängten. Das Antlitz der Shallad-Tochter war entspannt. Ihr Mund lächelte wie in Erwartung unbeschreiblicher Freuden. Doch als Mythor neben ihr kniete und ihr mit der Linken über die Augen fuhr, zeigte sie nicht die geringste Regung.
Aber sie lebte noch. Mythor fühlte ihren Herzschlag und atmete auf.
Er bettete Shezad behutsam auf seine Arme und schickte sich an, mit ihr der Schneise zu folgen. Irgendwann musste der Wald zu Ende sein, und Hrobon würde merken, dass die Prinzessin zurückgeblieben war. Vielleicht war schon Hilfe unterwegs. Mythor presste die Zähne aufeinander, bis die Kiefer schmerzten. Schmerz, das wusste er, war ein gutes Mittel, um die Geisterstimmen zu verscheuchen und bei klarem Verstand zu bleiben.
Und sie griffen an. Mythors Schritte wurden unsicher. Er hatte große Mühe, sein Gleichgewicht zu halten, als ein Brausen wie von einem mächtigen Sturmwind anhob. Doch kein Lüftchen rührte sich. Das Brausen war in ihm, in seinem Schädel, und tausend Stimmen vereinten sich in ihm. Leg dich nieder, Wanderer! raunten sie. Kämpfe nicht länger gegen den Schlaf! Komm zu uns! Wir verheißen dir…
Sie verhießen alles, was ein Mann sich nur wünschen konnte. Mythor schritt weiter, blickte starr geradeaus und rang nach Atem. Die Lichter umtanzten ihn, und plötzlich glaubte der Sohn des Kometen, wirkliche, lodernde Feuer vor sich zu haben. Er spürte ihre Hitze.
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