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Prinz der Düsternis

Prinz der Düsternis

Titel: Prinz der Düsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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roh behauenen Steinen. »Nur dort werden wir Gewissheit erhalten«, sagte er finster, »falls überhaupt. Ja, Hrobon, ich werde gehen.«
    »Beim Shallad! Du gehst nicht allein!« schrie der Heymal. Zu seinen Kriegern gewandt, rief er: »Wer von euch den Mut aufbringt, uns zu folgen, der stelle sich hinter mich!«
    Ein Dutzend Männer ließ die Orhaken zurück und baute sich hinter dem Führer auf. Ringsum standen die Halbversteinerten und machten noch immer Gesten der Abwehr. Ihre Augen flehten: Kehrt um! Lauft, solange ihr noch könnt! Und sie kündeten von Schrecken, die nicht allein im Goldenen Staub und dessen verheerenden Folgen für die Befallenen begründet lagen. Mythor wünschte sich, wenigstens einer von ihnen hätte zu sprechen vermocht. Sein schrecklicher Verdacht wurde nun fast zur Gewissheit .
    »Die Prinzessin, Hrobon«, drängte er. »Bevor wir etwas unternehmen, lass uns nach Räumen suchen, in denen sie sicher sein kann.«
    Hrobon gab fünf Kriegern den Befehl dazu. Zögernd zuerst, dann entschlossen ausschreitend, gingen sie den Torbogen hindurch, gelangten hinter das mächtige Mauerwerk und verschafften sich gewaltsam Zutritt zum Schattenturm, indem zwei von ihnen sich mit den Schultern gegen das morsche Holz einer kleineren Tür warfen. Ein Krieger mit verknöchertem Gesicht warf sich vor Hrobon auf die Knie. Tränen quollen aus seinen Augen, sammelten sich in den Schlackehöhlen und rannen in den Rillen über die Steinmaske. Zum erstenmal sah Mythor den Heymal hilflos.
    Das Warten auf die in den Turm Eingedrungenen wurde zur Qual.
    Mythor sah, wie die Zelttücher der Sänfte sich auseinanderschoben. Vor Hrobon erreichte er Spinnenglanz und half der Prinzessin vom Diromo herab. Sie nickte ihm dankbar zu. Ihre Augen waren hinter einem fast undurchsichtigen Schleiertuch verborgen, und den purpurroten Umhang hatte sie bis zum Hals hinauf geschlossen. Erleichtert stellte Mythor fest, dass wenigstens sie noch keinerlei Spuren der Staubablagerung aufwies. Sie hob kurz den Schleier, wie um ihm dies zu zeigen.
    »Du hast unsere Unterhaltung gehört?« Es war mehr eine Feststellung denn eine Frage. »Shezad, versprich uns, in deinem Quartier zu bleiben, sobald wir eines gefunden haben, das sicher genug für dich ist.«
    »Ich verspreche es. Du hast mein Wort«, erklärte sie.
    Endlich kehrten die fünf Ausgesandten zurück. »Wir haben einen Raum gefunden«, erklärte einer von ihnen. »Der Turm scheint verlassen.«
    »Was heißt das, er ›scheint‹ verlassen?« wollte Hrobon wissen.
    Der Krieger hielt ihm etwas vor die Augen, was er bisher hinter dem Rücken verborgen gehalten hatte. Es war ein Teil eines der Schlackehelme, wie sie die Gesichter von Garrams Vogelreitern überzogen. Hrobon betrachtete es schweigend, drehte es dann um und stieß einen erstickten Laut aus. Deutlich zeichnete sich auf der Innenseite ein Teil eines menschlichen Gesichts ab.
    »Wo hast du dies gefunden?« fragte der Heymal.
    »Überall«, antwortete der Krieger. »Solche Masken liegen überall im Turm. Manche sind noch besser erhalten.« Der Mann sprach stockend. Es bereitete ihm bereits Mühe, die Worte zu formen. Nur an wenigen Stellen seines Gesichts war noch nackte Haut zwischen den knöchernen Adern zu erkennen.
    *
    Steinerne Treppen führten steil in den Turm. Nur durch schmale Schießscharten und winzige Fenster drang schwaches Licht. Ein halbes Dutzend Krieger war hinter den Mauern zurückgeblieben, um bei den Laufvögeln zu wachen, die in eine plötzliche Starre verfallen waren.
    Hrobon und No-Ango, der sich mit Sadagar dem kleinen Trupp ebenfalls angeschlossen hatte, trugen jeweils eine Pechfackel. Mythor ging neben dem Heymal voran, und tatsächlich schien es so, als machte die unheimliche Umgebung, die Ahnung einer unbekannten Gefahr den Streit zwischen beiden Männern für den Augenblick vergessen. Shezad war in einem Raum im Sockel des Turms untergebracht worden, vor dessen einziger Tür zwei Krieger Wache hielten. Dort sollte sie auch vor dem Staub geschützt sein.
    Der gewundene Treppengang schien in endlose Höhen hinaufzuführen, bis Mythor eine dunkle Decke über sich sah, deren Durchgang gerade Platz für einen Mann ließ. Er kletterte hindurch und stand in einem finsteren Gewölbe, das den Turm in seiner ganzen Breite auszufüllen schien. Ringsherum waren schmale, sich nach außen hin noch verengende Schießscharten in den gut drei Fuß dicken Mauern. Der Boden war von einer dicken Staubschicht bedeckt,

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