Prinz der Düsternis
einmal grausam zu uns, eben nur… bestimmt.«
»Sie sind Werkzeuge der Dämonen!« fuhr Hrobon auf. »Ausgeburten der Düsterzone – wie ihr dreimal verfluchter Herr!«
»Aber sie wirken…« Mythor fand nicht die Worte, die er suchte. Wie oft hatte er versucht, sich jene Geschöpfe vorzustellen, die die Düsterzone bevölkerten? So schrecklich Odams Heer auch anzuschauen war, Mythor rief sich die Dämonenpriester der Caer ins Gedächtnis, die Schreckensbilder der Schlacht von Dhuannin und die Grausamkeiten, mit der die Horden von der Insel gewütet hatten. Konnte er sich Odams Krieger an ihrer Stelle vorstellen?
»Nicht grausam!« kam es anklagend von Sadagar. »Hättest du meine Beule, du würdest auch anders reden.«
»Mag sein«, gab Mythor zu. »Hrobon, wir müssen einen Weg finden, Shezad aus der Gewalt des Prinzen zu befreien. Alles andere hat dahinter zurückzustehen.«
»Und wie?«
»Die Krieger töteten uns nicht. Das heißt, dass sie Pläne mit uns haben. Sie werden uns Nahrung und Trank bringen, wenn ihnen an Leichen nichts gelegen ist. Dann versuchen wir einen Ausbruch.«
»Pläne?« fragte Sadagar schnell. »Mythor, was meinst du damit?«
»Dass sie alle verschieden aussehen«, antwortete Hrobon für ihn. »Dass sie vielleicht selbst Opfer des Prinzen wurden und nun ihm dienen müssen. Das meint er damit.«
Sadagar wich entsetzt zurück.
»Hört auf, euch darüber Gedanken zu machen«, sagte Mythor. »Wir warten, bis jemand erscheint, oder helfen nach.«
»Hoffentlich geschieht das bald«, knurrte Hrobon. »Bevor wir die Düsterzone erreichen.«
*
Sie rief nach Odam, doch nur Schweigen war die Antwort.
Shezad presste die steinerne Maske an ihre Brust, als sie von der Liegestatt zurücktrat und sich unsicher umsah. Sollte sie zurück in den für sie hergerichteten Raum gehen und dort warten? Je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie, dass Odam sich vor ihr zu verbergen suchte. Er hatte sie beobachtet und war geflohen, als sie seine Anwesenheit bemerkte. Der Gedanke war schwer vorstellbar. Odam, der mächtige Prinz Odam, floh vor einer Wehrlosen, die seine Krieger ihm gebracht hatten – auf sein Geheiß? Warum? Weshalb verbarg er sich? Um ihr seinen Anblick zu ersparen?
Er hatte seine Gesichtsmaske verloren. Dennoch lebte er. Sah er dann so aus wie Jehaddad, nachdem Hrobon dessen Maske entfernen ließ? Oder vielleicht noch schlimmer? Immerhin mochte er die Ablagerungen viel länger zu erdulden gehabt haben.
Shezad hatte keine Angst mehr vor ihm. Wieder spürte sie seine Nähe. Sie zögerte nicht mehr und betrat weitere Gemächer, lange, prachtvoll ausgekleidete Flure und Treppen, die zu den Türmen hinaufführten.
Manchmal glaubte sie, dass Odam ganz nahe war. Dann wieder meinte sie zu spüren, wie er sich von ihr entfernte.
Als sie eine Turmkammer betrat, erstarrte sie. Mehrere Fackeln in Wandhalterungen beleuchteten ein halbes Dutzend auf dem Boden liegender Masken, die alle das gleiche Gesicht zeigten. Doch wie hatte es sich verändert!
Shezad ging zögernd darauf zu und bückte sich, um eine nach der anderen aufzuheben und zu betrachten. Die Gesichter waren unterschiedlich alt. Zwei Masken zeigten das gleiche junge Gesicht wie jene, die Shezad im Schlafgemach gefunden hatte, auf der dritten Maske war es bereits älter und verfallener, und auf den restlichen waren die edlen Züge kaum noch zu erkennen.
Die Prinzessin ahnte die schreckliche Wahrheit, als sie die steinernen Zeugnisse genau an jene Stellen zurücklegte, von denen sie sie genommen hatte. Odam war nicht nur einmal Opfer des Goldenen Staubes geworden, und nicht nur einmal hatte er sich vom Stein auf seinem Gesicht befreien können. Er tat es immer wieder, wenn ihm eine neue Maske gewachsen war. Welche Qualen musste dieser Mann erleiden, dazu verdammt, niemals zur Ruhe zu kommen, nie seinen Frieden zu finden. Darum wich er ihr aus. Deshalb wollte er nicht, dass ihn jemand so sah, wie er wirklich war – niemand außer jenen Kriegern, die sein schreckliches Schicksal teilten.
Shezad versuchte sich vorzustellen, wie der Prinz nun aussah, da sein Gesicht so oft vom Staub zerfressen und beim Ablegen der Masken wund gerissen worden war. Sie empfand keinen Abscheu dabei. Im Gegenteil, das Gefühl wurde immer stärker, es mit einem einsamen, bedauernswerten Geschöpf zu tun zu haben, mit einer armen Seele, die hungrig war nach…
Liebe?
Shezad setzte sich auf eine Truhe und blickte aus einem der winzigen
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