Prinz für die Köchin
an und schwieg. Faustina wirkte heute ein bisschen anders als sonst, merkte sie. Zum einen war ihr Haar natürlicher; es war zu einem weichen Pferdeschwanz zurückgebunden, nicht zu einem kunstvollen Lockenwust gestylt. Und obwohl sie Hotpants und hohe Absätze trug – eines ihrer Standardoutfits –, fehlte heute das trägerlose Glitzertop. Stattdessen hatte sie eine geknotete Bluse an. Faustina erwiderte ihren Blick, ehe sie mit typischer Unverblümtheit fragte: »Willst du mir etwa erzählen, du willst nicht mit ihm schlafen?«
»Äh … nein … ich …«
Faustina verdrehte die Augen. »Willst du nun oder nicht?«
»Mit ihm schlafen?« Imogen lief rot an. Sie war es noch immer nicht ganz gewohnt, die Dinge beim Namen zu nennen und sich ganz offen zu … na ja, zu Sex zu bekennen, auf Faustinas unkomplizierte Art. »Ja-aa, schon, aber –«
»Dann tu’s doch«, fiel Faustina ihr forsch ins Wort und schnippte mit den Fingern. »Wenn du ihm das nächste Mal begegnest, sag einfach: ›Komm, lass uns Sex haben, sofort.‹ Ich glaube, anders kommst du bei dieser Geschichte nicht weiter.«
Unwillkürlich musste Imogen über diesen Vorschlag lachen, dann wurde ihr Gesicht ernst. »Ich glaube, ich bin in ihn verliebt«, platzte sie heraus und starrte Faustina mit weit aufgerissenen Augen an.
»Sei doch nicht albern«, wehrte ihre Freundin schroff ab. »Du kannst gar nicht in ihn verliebt sein. Du weißt doch noch nicht mal, wer er ist.«
»Ich weiß.« Imogen atmete tief durch, bevor sie versuchte, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Worte, die jemand, der nicht an ihrer Stelle war, vielleicht verstehen konnte. »Die Sache ist die … weißt du noch, was du gerade über meinen Urinstinkt gesagt hast? Also, ich habe instinktiv das Gefühl, ich würde ihn kennen, als hätte ich ihn immer schon gekannt. Ich vertraue ihm«, schloss sie schlicht.
Faustina blieb wie angewurzelt stehen. »Jetzt sei mal einen Moment vernünftig! Du weißt doch genau, wie das abläuft, wenn man sich verliebt! Man schaut sich stundenlang tief in die Augen, man kann einfach nicht aufhören, ihn anzusehen – als würde man versuchen, sich jede kleinste Kleinigkeit einzuprägen, du weißt schon.«
»Mmm.« Bei Adrian war es jedenfalls so gewesen. Und es hatte sich ja gezeigt, wie toll das gelaufen war. Sowohl ihre Zuneigung zu Bastien als auch ihr Flirt mit Dimitri hatten ebenfalls mit langen Blicken und ausgiebigem Lächeln angefangen. Und doch hatte nichts davon ihr auch nur annähernd jenen elektrischen Schlag versetzt, den sie bei den kurzen Zusammentreffen mit ihrem Unsichtbaren bekommen hatte. Mit einiger Mühe beschwor Imogen Cheyennes Gesicht herauf, dann Everetts und dann zu ihrer gelinden Überraschung das von Amaury. Denn wenn man es recht bedachte, war sein Verhalten am Tag des Ausflugs nach Saint-Paul-de-Vence … verblüffend gewesen – er hatte ihr sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Doch natürlich konnte da nichts dran sein, denn Amaury interessierte sich doch für Bunny, oder?
»Und außerdem kann Sex auch sofort passieren«, sagte Faustina gerade sehr entschieden. »Das ist ja das Tolle daran – aber Liebe braucht Zeit. Und selbst bei Liebe auf den ersten Blick muss es doch einen ersten Blick geben, oder nicht?«
»Na ja, Blinde verlieben sich doch auch, oder?«, gab Imogen zurück. »Und vielleicht habe ich ihn ja tatsächlich schon mal gesehen. Wer weiß!«
»Wenn du dich nicht daran erinnern kannst, ihm begegnet zu sein, dann war’s keine Liebe auf den ersten Blick.«
»Wieso denn nicht?«, erwiderte Imogen. Plötzlich war sie sich ihrer Sache ziemlich sicher. »Allmählich glaube ich, dass man jemandem begegnen und sehr tief von ihm beeindruckt werden kann, ohne dass es einem ganz bewusst ist. Und als er mich geküsst hat, hat sich dieser Eindruck … eingeprägt. Und ihm auch. Es war Liebe auf … das erste Schmecken.« Sie kicherte. »Ich weiß, das hört sich seltsam an.«
Faustina sah sie besorgt an. »Total verrückt, ehrlich gesagt. Du hast völlig den Bezug zur Realität verloren. Ich meine, du hattest doch erst zweimal direkten Kontakt mit diesem Typen.«
»Ich weiß. Aber die E-Mails –«
»Oh, bitte.«
»Die E-Mails«, fuhr Imogen entschlossen fort, »vermitteln mir ein Gefühl für seine Stimme, für seine ganze Persönlichkeit. Und es ist ja nicht nur das. Es ist das ganze Drumrum … mich so nach Grasse zu schicken … Es ist aufregend, und zugleich fühle ich mich bei ihm auch geborgen.
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