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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Rappen.
    Als Aldoro endlich Anstalten machte, den Schimmel hinter ihr zu erklimmen, plärrte der Kapellmeister aus vollem Halse: „Seid ihr verrückt? Ihr könnt mich nicht hier lassen. Die nehmen mich auseinander. Aldoro, Skaia!“
    Aldoro holte ihn aus dem Regal und hielt ihn fest in der Hand.
    Der Kapellmeister jammerte weiter. „Wer hat euch denn gewarnt? Ich doch. Ohne mich ...“ Der Rest verwehte im Fahrtwind des in Schwung gekommenen Karussells. Doch es war klar, was er meinte. Ohne sein panisches Geschrei wäre Aldoro womöglich nie aufgesprungen. Aber dafür, dass er wirklich heranschleichende Männer gesehen hatte, hätte Skaia nie und nimmer die Hand ins Feuer gelegt.
    Laut lachte sie mitten hinein in den Strudel, der sie alle erfasst hatte, krallte sich in die Mähne ihres Pferdchens und legte sich in die Kurve.

 

Die Flanken ihres Pferdes bebten. Der Rappe warf den Kopf zurück und wieherte. So schnell flogen sie dahin, dass Skaia nicht wagte, einen Blick zurück zu werfen. Um sie herum wischte die Welt wie eine Ansammlung von Kulissenteilen vorbei. Fassaden, Sonnenmasten, Straßen, kantig zugeschnittene Hecken, trockene Erde, grellrot die Sonne am Horizont, Sternenpünktchen, müder Mond, Bäume mit krakeligen Ästen, Blätterdickicht, eine Hufspur am Boden.
    Das Getrappel verlangsamte sich, die Pferde liefen aus. Der Fahrtwind schwand ― und ließ ein merkwürdiges Gefühl zurück. Als die Pferde nur noch im Schritttempo trabten, fuhr sich Skaia mit einer Hand über ihr Gesicht. Pappige, silberne Fäden blieben hängen.
    „Pfui Spinne, was ist denn das?“, schrie der Kapellmeister hinter ihr. So hektisch putzte er an sich herum, dass Aldoro entnervt fragte: „Soll ich dich immer noch festhalten?“
    „Aber sicher“, prustete der Wicht und spuckte dreimal hinterher, als hätte er etwas von den Silberfäden in den Mund bekommen.
    „Das ist aber anstrengend, wenn du so zappelst. Wenn du nicht damit aufhörst, stopfe ich dich in die Kuttentasche.“
    Der Kapellmeister schrie: „Ich krepier fast, und euch kümmert das gar nicht.“
    Ohne das Geschrei weiter zu kommentieren, zog sich Aldoro ebenfalls das klebrige Gespinst von der Haut.
    Als er von seinem Schimmel abstieg, schenkte ihm das Pferd ein freundliches Schnauben. Dann entsprang es wie alle anderen, um auf einer Wiese neben der sandigen Kreisbahn zu grasen. Vom Karussell war nichts mehr zu sehen. Kein Podest, keine farbig lackierten Tiere, keine mit Silberplättchen belegte Mittelsäule, kein buntes, geschwungenes Dach.
    Dafür saß in einem Klappstuhl breitbeinig ein Kerl, der eine schwarze Uniform und eine dunkel getönte Brille trug. Neben ihm ragte ein mannshoher, über und über mit eigentümlichen Zeichen verzierter Obelisk in die Höhe. Der Kerl drehte den Ankömmlingen den Kopf zu. Die goldenen, silbernen, muschelfarbenen, edelsteinbunten und unentwirrbar ineinander verhakten Ketten, die er um den Hals trug, knirschten.
    „Was zu verzollen?“, grunzte er gelangweilt.
    „Was zu was?“, fragte Aldoro.
    „Zu was, zu was ... Verzollen eben. Abgeben. Nicht ins Reich der nächtlichen Königin schleppen eben.“
    Nicht nur Aldoro blickte ihn ratlos an, auch Skaia und der Kapellmeister.
    „Immer das gleiche“, schimpfte der Uniformierte und fingerte nach einer der vielen Flaschen, die neben seinem Klappstuhl auf dem Boden standen. Die Ringe an seinen Fingern scheuerten am Glas entlang. „Es ist nun einmal so: An jeder Grenze gibt es einen Grenzposten, und der hat dafür zu sorgen, dass niemand, der hier reinschneit, etwas ins Land schleppt, was den allgemeinen Interessen zuwiderläuft. Klar?“
    So richtig klar war das Skaia zwar nicht, aber sie nickte. Sie hatte nicht die geringste Lust, diese Unterhaltung länger als nötig zu führen.
    Die zahlreichen Armreifen des Uniformierten klapperten, als er mit einem Rohrstock gegen das Zeichen schlug, das den Obelisken zuoberst zierte: ein Kreis, aus dem nach unten ein Kreuz erwuchs. „Also, ihr seid hier in Moxó gelandet“, sagte er in einem derart belehrenden Tonfall, dass er Klirr in der Erziehungsanstalt glatt hätte ersetzen können. „Hierher nicht eingeführt werden darf“, der Stock schepperte gegen einen Stierkopf, der mit einer Krone geschmückt war, „Schmuck. Habt ihr Schmuck? Dann müsst ihr ihn abgeben!“
    Der Sonnenkreis war weit mehr als bloßer Schmuck. Außerdem ruhte er sicher und verborgen in der Tasche von Skaias Umhangs. „Nein, haben wir nicht“,

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