Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
alles andere als ein gutes Geschäft und Applaus für die Schauspieler.
Als sie näher traten, sahen es auch ihr Bruder und der Kapellmeister: Die Kulissen auf dem Bühnenwagen hingen in Fetzen. Die Scheinwerfer waren zerbeult und über den Platz verstreut. Daneben ragten aus den Resten eines zertrümmerten Leiterwägelchens die Seitenstäbe wie Dolche in die Höhe. Der Planwagen von Schnock, Schnauz und Squenz war in die Knie gegangen, weil die Räder nicht mehr genug intakte Speichen hatten, um die Achse zu halten. Von den Theaterleuten war kein einziger zu sehen. Nur der Esel streunte ziellos auf dem Gelände herum, als fände er seinen Stammplatz nicht, der immer hinter dem Kostümwagen gewesen war. Doch der Wagen fehlte. Ebenso wie der von Gura und den Papageni. Einzig und allein das große, pastellblaue Ei erinnerte an ihn. Eine schleimige Pfütze machte sich davor breit. Sie wurde gespeist von einem Rinnsal, das aus einem Loch in der Schale kam. Es war nicht groß. Einige bunte Federn drangen verklebt daraus hervor. Aber darüber spaltete ein Riss fast die gesamte Schale.
„Was soll das? Was ist hier geschehen?“, fragte Aldoro bestürzt.
„Der Horrlekin“, hauchte Skaia und umfasste ihre Oberarme. Sie fror mit einem Mal. Begann zu zittern. Das entsetzliche Gefühl, das sie immer heftiger schüttelte, ließ sie auch nicht los, als Aldoro schützend seine Arme um sie schlang. Dann klappte sie zusammen. Sah nicht mehr das besorgte Gesicht ihres Bruders, sondern nur noch Schwarz.
Ein Licht hüpfte vor ihren Augen. Über ihre Stirn glitt etwas Feuchtes. Eine Decke hüllte sie ein. Wispern erfüllte den Raum. Dann krachte Metall auf Metall, schlug scheppernd auf.
„Ah“, schrie jemand erschrocken.
Eine Hand mit Waschlappen flog über Skaias Kopf hinweg. Skaia folgte ihr mit dem Blick. Das war ihr Bruder. Er flüsterte mit einem Jungen, der an einer Spüle stand und einen Topf in ein Hängeregal schob, was zur Folge hatte, dass auf der anderen Seite des Regals etliche kleinere Dinge lärmend herunterpurzelten ― und dass der Junge leise schimpfte: „Es ist einfach zu dunkel in diesem dämlichen Land.“
„Mikolo?“ Skaia kam sich vor, als hätte sie ihre Stimme lange nicht mehr gebraucht. Sie schickte ein paar Räusperer hinterher.
Die beiden an der Spüle sprangen sofort zu ihr. Aldoro winkte mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum. „Erkennst du mich?“, fragte er aufgeregt.
„Natürlich“, erwiderte Skaia. Sie brauchte noch ein Räuspern, bevor sie ergänzen konnte: „Vor allem, wenn du deine Hand wegnimmst.“
Jetzt drängte sich Mikolo heran. „Skaia, geht es dir gut? Ich bin ja so froh, dass du wieder da bist!“
Ob es ihr gut ging, darüber war sich Skaia nicht sicher. Aber sie konnte sich aufsetzen. Ruhig atmen. Mikolo anlächeln. Sich freuen, dass sie ihn wiedergefunden hatte.
„Du warst total weggetreten“, erklärte er, und Skaia merkte, dass ihm das Angst gemacht hatte. „Geht es dir denn jetzt wieder gut?“
„Wo sind wir denn eigentlich?“, wollte Skaia wissen und drehte den Kopf. Die Blaukappe schwebte direkt neben ihr, womöglich, um sich ebenfalls davon zu überzeugen, dass Skaia wieder aufgewacht war.
„Im Wagen von Moll, Schlucker und Zettel“, sagte Aldoro so selbstverständlich, als wäre er schon ewig hier. Dabei waren es nur ein paar Tage, wie er erklärte. Seit Skaias Zusammenbruch eben.
Er war furchtbar froh gewesen, als er entdeckte, dass dieser Wagen unversehrt war. Drinnen standen drei Betten, es gab eine Kochgelegenheit, und die Fenster hatten diese absonderlich gebogenen Scheiben, die mehr Mondlicht einzufangen schienen als überhaupt vorhanden war. Er wickelte Skaia in weiche Decken. Sie sollte ruhig schlafen. Doch sie schlief nicht nur, sondern sie fieberte. Warf im Traum den Kopf wie besessen hin und her und stöhnte. Er wachte bei ihr, bis er selbst, völlig übermüdet, auf einem harten Stuhl einnickte.
„Und da habe ich ihn schnarchen gehört“, mischte sich Mikolo in die Erzählung. „Ich war wegen des Esels zurückgekommen. Irgendjemand musste ihm Wasser geben. Aber gerade, als ich mich wunderte, warum er gar nichts aus dem Bottich schlabbern wollte, den ich ihm im Bach aufgefüllt hatte ...“
„Er war wahrscheinlich dreimal selbst am Bach gewesen, bevor du aufgetaucht bist“, unterbrach ihn Aldoro.
„Ja, aber das konnte ich nicht wissen.“
„Nein? Na ja, auf jeden Fall reißt mich ein Schlag auf den Kopf aus dem
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