Prinzessin meines Herzens
es Zeit brauchte, um seinen Sohn kennenzulernen. Nicos schmerzlicher Blick war ihr zu Herzen gegangen, und sie fühlte sich auch ein bisschen schuldig. Ihretwegen kam er sich seinem Sohn gegenüber wie ein Fremder vor. Das musste sie wiedergutmachen.
Erst nach einer Weile kehrte sie ins Haus zurück. Während sie durchs Wohnzimmer ging, wurde sie auf drei gerahmte Fotografien aufmerksam. Die erste zeigte zwei etwa gleichaltrige Jungen, die einander lächelnd die Arme um die Schultern legten. Das nächste Bild war ein Schnappschuss von einem jungen Mann, der in die Kamera lachte. Das dritte zeigte Nico als Kind. Darauf trug er eine ähnliche Uniform wie an seinem Verlobungsabend; allerdings war diese noch nicht mit Medaillen verziert, und der Säbel fehlte.
Lily nahm das Foto in die Hand und betrachtete es eingehend. Die Ähnlichkeit mit Danny war ganz erstaunlich. Doch Nico sah richtig unglücklich aus. Sie fragte sich, warum er das Bild aufgestellt hatte. Umgab man sich nicht normalerweise mit Aufnahmen, die angenehme Erinnerungen weckten?
„Es erinnert mich daran, wer ich bin.“
Lily wirbelte herum und drückte den Rahmen an die Brust. „Meine Güte, hast du mich erschreckt!“
Nico war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Er wirkte darin verwegen, fast schon gefährlich … Sie brauchte einen Moment, bis sie erkannte, dass er Motorradkleidung trug. Daraufhin beschleunigte sich ihr Puls. Er fuhr Motorrad? Jagte er etwa die Haarnadelkurven entlang, die hier hinaufführten? Damit riskierte er jedes Mal sein Leben an den Steilhängen, die zum Meer abfielen. Wie konnte er bloß so verantwortungslos sein? Was würden sie tun, wenn ihm etwas passierte?
Er kam auf sie zu und stellte sich neben sie. Nico roch nach Leder, Wind und Motoröl. Unwillkürlich spürte Lily ihre Brustspitzen kribbeln und war entsetzt darüber. Ihr Exfreund in Louisiana hatte damals auf einer Farm gearbeitet und oft nach Schmieröl gerochen. Das hatte sie nie als sexy empfunden. Aber der gut aussehende, reiche Prinz Nico und dieser Duft erregten sie aus irgendeinem Grund.
Was war bloß mit ihr los? Warum hatte sie ihre Gefühle nicht im Griff?
Nun deutete Nico auf das Bild mit den beiden Jungen und berührte dabei ihre Schulter. „Gaetano ist der auf der linken Seite.“
Doch Lily war mit ihren Gedanken ganz woanders. Feuerblitze durchzuckten sie, süßes Verlangen schoss durch ihren Körper – Nico war ihr so nah … „Er ist kleiner als du“, bemerkte sie schließlich.
„Si. Und dabei war er drei Jahre älter als ich. Interessant, nicht wahr?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, fuhr er fort: „Das andere Foto ist einige Jahre später entstanden. Ich weiß nicht mehr, worüber Gaetano da gelacht hat. Wir sind in dem Sommer in Australien gewesen, und ich habe ihn niemals unbeschwerter gesehen. Aber um das zu verstehen, hättest du meinen Bruder kennen müssen.“
„Vielleicht wollte er gar nicht Kronprinz sein“, vermutete Lily. Verständlich . Immerhin hatte sie selbst erlebt, wie es im Palazzo Cavelli zuging.
Nico nickte langsam. „Ja, ich glaube, das war einer der Gründe. Doch es gab wohl noch andere. So genau hat er mir das nie gesagt.“
Lily musste an ihre Mutter denken. Deren Entscheidungen hatte sie auch nie nachvollziehen können. Zum Beispiel drehte sich das ganze Leben ihrer Mutter stets um einen Mann – Lilys Vater. Und sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, wenn er sie wieder verließ. Das mochte nicht dasselbe sein wie bei Nicos Bruder. Aber zumindest verstand Lily, was es bedeutete, wenn man jemanden liebte und trotzdem nicht an ihn herankam.
„Was ist mit deinem Bruder geschehen?“, fragte sie vorsichtig.
Nico nahm das Foto von Gaetano und betrachtete es. „Er hat Selbstmord begangen, cara.“
Entsetzt starrte sie ihn an. „Es tut mir so leid. Niemand sollte ein Familienmitglied auf diese Weise verlieren.“ Die Worte schienen ihr so wenig angemessen. Aber sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte.
„Da hast du recht“, meinte Nico, ohne von dem Bild aufzusehen.
Lily hätte ihm gerne weitere Fragen über seinen Bruder gestellt, wagte es jedoch nicht. Ohnehin erstaunte es sie, dass Nico nach dem Vorfall im Kinderzimmer wieder mit ihr redete. Am liebsten hätte sie ihn tröstend in die Arme genommen. Stattdessen wechselte sie das Thema. „Wie alt warst du auf dem Foto?“, erkundigte sie sich.
„Sechs. Drei Tage vorher ist meine Mutter gestorben.“
Lily stockte der Atem. Nico
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