Prinzessin oder Erbse
drei Worte herausgerutscht, möchte ich mir auch schon die Zunge abbeißen. Hastig unterbreche ich die Verbindung. David und ich haben uns noch nie gesagt, dass wir uns lieben, und ich bin nicht sicher, ob das eben der richtige Moment dafür war. Natürlich hat mich die reizende Computerstimme diesmal nicht vorher unterbrochen. Kurz erwäge ich, David ein viertes Mal anzurufen, lasse es dann aber doch. Was würde ich denn auch sagen wollen? Dass ich es nicht so gemeint habe? Das wäre gelogen. Ich liebe David, das ist die reine Wahrheit. Und vielleicht wird er mich ja doch anrufen.
Die nächsten drei Tage sind zermürbend. Von David kommt kein Lebenszeichen, und mein Zustand schwankt ständig zwischen Hoffnung, Resignation und kompletter Verzweiflung hin und her. Am liebsten würde ich mich wieder im Bett vergraben, aber schließlich habe ich beschlossen, mich nicht mehr so hängen zu lassen. Also gehe ich regelmäßig mit Julia und Felix zum Joggen und nehme sogar an ihrem Yogakurs für Frühaufsteher teil. Abends sitzen wir zu dritt bei uns im Wohnzimmer und schauen Filme. Wieso ruft er mich nicht an? Je länger ich darüber nachdenke, desto wütender werde ich. Was ist denn das für eine Art, mich einfach wie Luft zu behandeln? Selbst wenn er nicht mit mir sprechen will, so könnte er doch wenigstens eine SMS schreiben. Wie kann man nur so unversöhnlich sein? Mir nicht einmal die Chance auf eine Erklärung zu geben. Mein Blick fällt auf Felix, der neben mir auf dem Sofa liegt und gebannt den Film verfolgt. Er hat mir sofort verziehen,
nachdem ich mich bei ihm entschuldigt habe. Wie man das eben so macht – als wahrer Freund.
»Oh Gott, ich kann gar nicht hinsehen«, sagt er in diesem Moment und hält sich die Hand vor die Augen. Irritiert sehe ich auf den Bildschirm, wo gerade eine Menge Kunstblut vergossen wird. Felix schneidet eine Grimasse. »Meine armen Nerven. Ich weiß schon, warum ich dafür war, Dirty Dancing zu schauen. Aber ihr musstet mich ja unbedingt überstimmen, um dieses Gemetzel da anzusehen.«
»Sorry, ich bin gerade einfach nicht in der Stimmung für Liebesfilme.« Er greift nach meiner Hand.
»Das weiß ich doch. Keine Sorge, wenn ich dir damit einen Gefallen tun kann, dann gucken wir nur noch Horrorfilme. Kein Problem.« Tapfer schaut er zurück auf den Fernseher, während ich gedankenverloren auf meine Hand in seiner starre. Felix ist wirklich ein echter Freund.
In dieser Nacht kann ich mal wieder nicht einschlafen. Aber ausnahmsweise ist es nicht der Gedanke an David, der mich wach hält, sondern Felix. Sobald ich die Augen schließe, sehe ich ihn vor mir, in seinem dunkelgrünen Fensterputzer-Overall, ein Baseballkäppi schief auf den halblangen Haaren und mit einem strahlenden Lächeln. Ich erinnere mich an unsere vielen schönen Abende, was für Spaß wir miteinander hatten, wie viel wir gelacht haben, wie er immer für mich da war. Und wenn er nun doch der richtige Mann für mich ist? Auch wenn der erste Kuss jetzt vielleicht nicht so wahnsinnig aufregend war? Nicht so wie das erste Mal mit David, zugegeben, aber doch auch nicht gerade furchterregend. Darf die
mangelnde körperliche Anziehungskraft wirklich im Weg stehen, wenn alles andere so perfekt ist? Eigentlich ist es doch kein Wunder, dass es damit am Anfang ein bisschen holpert, nachdem man sechs Monate lang quasi wie Bruder und Schwester miteinander verbracht hat. Das heißt nicht, dass es mit ein bisschen Übung nicht ganz wundervoll werden könnte, Felix zu küssen. Mit diesem Gedanken schlummere ich selig ein.
Als ich am nächsten Morgen erwache, räkele ich mich wohlig in meinem Bett und habe das erste Mal seit Wochen wieder so etwas wie gute Laune. Versonnen zeichne ich die Muster nach, die die Sonnenstrahlen auf meine Bettdecke werfen, während ich mir meine Zukunft mit Felix ausmale. Gleich heute möchte ich mit ihm darüber sprechen. Ich hänge mein Herz nicht mehr an jemanden, der mich nicht zu schätzen weiß. Der auf eine Liebeserklärung auf seiner Mailbox mit eisigem Schweigen reagiert. So jemand kann mir gestohlen bleiben! Es wird alles ganz wundervoll werden, wenn ich erst mit Felix zusammen bin. Außerdem kann ich mit ihm jederzeit einen Kaffee trinken gehen, ohne dass am nächsten Tag die ganze Welt vom BLATT darüber informiert wird. Mit ungewohntem Schwung hüpfe ich aus dem Bett. Julia wird das bestimmt auch ganz toll finden, sie versteht sich mit Felix ja auch so gut. Am liebsten würde
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