Prinzessinnensöckchen (German Edition)
geöffnet, Emily schlüpfte auf dem Sitz, sagte »Hallo« und schnallte sich an.
»Hat alles geklappt?«
Emily nickte. »Ja, alles. Beim Frühstück hat mich meine Mutter gefragt, warum ich so blass bin und so fahrig, na ja, ich hätte schlecht geschlafen, hab ich gesagt. Und das Nutellabrot hab ich auch gepackt.«
»Und du willst wirklich nicht, dass wir die Polizei informieren?«
»Nein!« Sie stieß es hervor, erschrak selbst und wiederholte, sehr leise jetzt: »Nein. Wenn die Hanna tot ist, dann... ach, kein Plan. Ich wollte ich wäre auch tot.«
»Das überlegen wir uns noch mal, Schatz. Wir machen alles so wie abgemacht, ich ruf dich jede Stunde an, wenn ich kann. Okay? Heute Mittag machst du dir... schau einfach mal in den Kühlschrank. Hoffentlich verpasst du nicht was Wichtiges in der Schule.«
Emily stöhnte auf. »Ach ja, Scheiße, heute ist nur Filmprojekt für Literatur. Wir haben da so Arbeitsgruppen, weißt, da drehen wir kleine Filme. Na ja, klappt eh hinten und vorne nicht.«
»Ach? Worum geht’s denn in dem Film?«
Emily winkte genervt ab. »Irgendso Kack. Aber hey, ne Freundin so: Ich kenn einen vom Film, Profi, der schneidet uns den mega heiß und ey ja Scheiße, der is furchtbar aufdringlich nur und hat keine Ahnung und angeblich spinnt jetzt seine Festplatte und...«
So empörte sich Emily und schimpfte wie ein Rohrspatz, bis sie vor Carmens Wohnung anhielten. Carmen hatte sie reden lassen, in sich hineingekichert. Ein ganz normales liebes Mädchen saß da neben ihr, für ein paar Minuten wenigstens.
*
Niemand war ihnen gefolgt, Emily vorläufig in Sicherheit. Vorläufig. Das Wort beunruhigte sie. Auch die Aussicht auf einen hektischen Samstag, der sie den Plattfüßen ein gutes Stück näher bringen würde, war nicht sehr verlockend. Sie hatte die Dinge nicht im Griff. Irgendwie war alles so wie bei Emily, als sie die Tür der Scheune geöffnet hatte, um in die Dunkelheit einzutreten, ein Schritt ins Unbekannte mit seinen Tücken und Gefahren. Oder Hanna, als sie den toten Pohland mit den Söckchen im Mund gefunden hatte. Das war Emily heute Morgen beim Frühstück noch zu entlocken gewesen, »nein, der Pohland war doch kein Kunde von uns, wir hätten doch keinen genommen, den wir persönlich kennen!« Drei »Kunden« hatten die Mädchen, sämtlich aus Orten, die mindestens 50 Kilometer von Oberwied entfernt lagen. Dann hatte Emily in ihr Honigbrot gebissen, »Scheiße« gemurmelt und damit angezeigt, sie wolle sich nicht mehr weiter zum Thema auslassen.
Carmen war pünktlich. Im Café schienen dennoch bereits Gäste zu sein, denn davor parkten mehrere Autos, was nicht weiter erwähnenswert gewesen wäre, doch eines dieser Autos war ein Polizeiwagen. Sie parkte in einigem Abstand, atmete noch einmal durch und stieg aus. Okay. Wenn die auf sie warteten, wäre sie bereit. Dennoch war ihr Gang alles andere als souverän.
Im Gästeraum saß Kati Pohland mit zwei Männern und einer Frau um den großen runden Tisch am Fenster. Einer der Männer, älter, imposant mit eindrucksvollem Bauch, sprach leise auf die anderen ein. Carmen schickte ihr »Guten Morgen« hinüber, vier Augenpaare musterten sie kurz und schickten den Gruß mechanisch zurück. Anscheinend war sie doch nicht die Hauptattraktion des Morgens.
Winfried Starke hockte in seiner Backstube, die Hände fuhren im Gesicht auf und ab. Er trug keine Arbeitskleidung, was ungewöhnlich war. Clara, ebenfalls noch in Zivil, durchmaß die Backstube kreuz und quer, unablässig den Kopf schüttelnd. Obwohl offensichtlich unangebracht, wünschte Carmen auch hier einen guten Morgen.
»Weniger«, quittierte Clara und kam auf sie zu. »Stell dir mal vor, sie haben den Joey gestern Abend auf einem Feld bei dieser schrecklichen Scheune gefunden, doppelter Schädelbasisbruch, er liegt im Koma.«
Oh! Carmens bestürztes Gesicht war nicht geschauspielert. »Der Joey? Scheune?« Clara winkte ab. »Da treffen sich, na ja, die Liebespärchen um... du weißt schon.« Carmen nickte. »Und die Leute da draußen bei Kati?« »Polizei«, erklärte Clara knapp. »Dem Joey hat jemand was über den Kopf gegeben, uns haben sie auch schon verhört.«
Der Konditormeister nahm das Gesicht aus dem Händeversteck. Auch seine Augen waren gerötet, was Carmen überraschte. »Ich kann heute nicht mehr arbeiten«, sagte Starke und stand auf. Ging langsam zum Tisch, blieb eine Weile unschlüssig davor stehen und ließ dann die Faust auf die Platte krachen. »Und
Weitere Kostenlose Bücher