Prinzessinnensöckchen (German Edition)
Handy und rief bei Emily an. Die meldete sich nicht. Okay, vielleicht lag das Handy in ihrem Zimmer und Emily hockte schon mit Mama vor der Glotze. Klang logisch. Die Unruhe blieb.
Halb acht. Sie hatte die Nase voll. Bezahlte ihren Wein – wenigstens hatte er geschmeckt – und verließ den zu Tode betrübten Luigi. Noch einmal versuchte sie Emily zu erreichen, wieder ohne Erfolg. Die Unruhe wurde stärker.
Wo sich Völkerts Haus befand, hatte ihr vor kurzem noch Kevin lachend erklärt: »Du fährst in den Mahatma-Gandhi-Weg, ganz hinten, die weiße Burg.« Gandhi? Der Inder würde sich im Grab rumdrehen, wenn er davon wüsste.
Und eine Burg war es tatsächlich. Das Haus eher unscheinbar, ein Bungalow, der jetzt dunkel hinter der hohen weißen Mauer lag, kein Licht, nur über dem Eingangstor wachte eine Kamera, an der ein rotes kleines Lämpchen leuchtete. Auf Carmens Klingeln wurde nicht reagiert, niemand schien zu Hause. Er hat mich reingelegt, dämmerte es ihr, und sie sprang in ihren Wagen. Emily.
*
Schon im Bus war es ihr vorgekommen, als schütte ihr ständig jemand kleine Eiswürfel über den Rücken. Sie hatte Angst und ein schlechtes Gewissen. Das war nicht in Ordnung gewesen, sie hätte mit Carmen wenigstens darüber reden müssen, sie sogar bitten, als ihre Begleitung mitzukommen. Dann dachte sie an Robert und was er ihr heute nach Schulschluss zugeraunt hatte: »Entweder du bringst die Sache in Ordnung oder ich diss dich so, dass dir Hören und Sehen vergeht.« Sie wusste, was er meinte, hatte er schon mit einer anderen gemacht. Nacktfotos verschicken, ohne Kopf natürlich, aus dem Internet geklaut, Mädchen, die Emilys Größe und Figur hatten, behaupten, das SEI Emily. Der Dreck käme auf die Handys ihrer Freunde, ihrer Schulkameraden, zusammen mit verdammten Lügen. Er hatte auch entsprechend gegrinst, als sie »Du Schwein« zu ihm sagte.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Sie stieg aus, drei Minuten Fußweg lagen vor ihr, drei Minuten, in denen sie sich beruhigen musste. Was konnte schon groß passieren. Das, was auch beim letzten Mal passiert war. Er würde seinen Arm um ihre Schultern legen, sie würde seinen Atem hinter ihrem Ohr spüren. Aber dann war sie einfach aufgestanden und hatte gesagt, er solle den Scheiß lassen.
In zwei Stunden ging der letzte Bus nach Hause, bis dahin musste die Sache über die Bühne sein. War doch zu schaffen und dann hätte sie wenigstens hier ihre Ruhe. Sie würde es Carmen beichten, ja, ganz bestimmt, aber erst im Nachhinein halt. Die würde schimpfen und auch enttäuscht sein, aber sorry, was sollte sie denn machen?
Das Haus. Er wohnte im zweiten Stock, dort brannte Licht. Sie atmete noch einmal tief durch und klingelte.
*
Was war ihr anderes übrig geblieben als Kevin anzurufen und ihm in knappen Worten zu beichten, wie Völkert sie hereingelegt und für eine knappe Stunde aus dem Verkehr gezogen hatte? Er reagierte lediglich mit einem neutralen »Wo bist du jetzt?« »Na, wo wohl!« antwortete sie spitz. Das hätte er jetzt aber durch mittelschweres Nachdenken auch selbst herausfinden können. Außerdem war es strategisch günstig so schnell wie möglich aus der Arme-Sünderin-Rolle zu schlüpfen.
Im Wohnzimmer von Louise Schmitz brannte noch Licht und der Fernseher schickte Flimmerzeichen in die Nacht. Alles friedlich also. Vielleicht sah sie nur Gespenster? Einem Kerl wie Völkert musste man doch zutrauen, dass er sie einfach nur hatte verarschen wollen, eine kleine Bestrafung dafür, dass sie ihn heute Mittag in seinem Büro überfallen und beschuldigt hatte. Er hockte im Dunkel seiner Burg und rieb sich die Hände. Hatte ihr den Feierabend verdorben und dann steht die dumme Kuh auch noch vor dem Haus und läutet Sturm. Na toll, Carmen.
Das beruhigte sie einigermaßen. Kevins Auto hielt neben dem ihren. Er war schon in Zivil, stieg aus und gleich darauf bei ihr ein. Sagte erst mal nichts, was kein gutes Zeichen war. Sie räusperte sich. »Schön, dass du gekommen bist.«
Er sah sie von der Seite an, etwas Spott lag in seinem Blick. »Das kannst du alles nicht wiedergutmachen.« »Hä?« In diesem Moment musste sie aussehen wie ein begriffsstutziges naives Häschen, dem man endlich erklärt, das Leben sei nicht der sprichwörtliche Ponyhof. »Nix hä, mein Schatz. DEIN Konditor hat vorhin in der Dorfkneipe randaliert, aber hallo. Der geht sonst nie dort hin und Alkohol verträgt er anscheinend auch nicht. Kleine One-Man-Show. Er hat in allen
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