Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
Vom Netzwerk:
umfunktioniertest und sie von manchen Funktionen eine einseitige Vorste l lung besaßen, aber sie seien schließlich froh gewesen, daß sie die vorg e burtliche Genbehandlung hätten an dir durchführen lassen. Es machen alle, hätten sie gesagt. Wenn heute jeder hochphantsieausgerüstet ist, muß unser Sohn es auch sein. Wie soll er sonst im Leben weiterkommen? Sie seien traurig gewesen, daß eine Fa- und Cre-Behandlung bei ihnen nicht mehr machbar war. Ihre Phantasielosigkeit stempelte sie als alt, überholt, versteinert. Tatsächlich wurden sie bald in den Frührentnerstand versetzt. Aber du hast sie wie verrückt geliebt, ich weiß, ich weiß.
    Nie fiel den beiden etwas ein, sagte Herr Nostal, was mich ernsthaft g e stört hätte. Mein Vater ließ sich jeden Morgen vom Straßenband zum Rö h renbahnsystem befördern. Es war das Straßenband 897. Er trat Punkt sieben Uhr dreißig direkt von unserer Haustür auf das Band, von hinten sah ich ihn davongleiten, und acht Minuten später glitt meine Mutter auch d a von. Pünktlich um vier Uhr einundzwanzig nachmittags kam sie wieder angeglitten. Niemals erzählten sie genau, wohin das Röhrenbahnsystem sie fuhr, sie sagten, zur Beschäftigung. Womit sie sich beschäftigten, erklären sie nicht näher. Ich merkte, daß es sie gar nicht interessierte. Es wäre taktlos gewesen, sie danach zu fragen. Bei meinen Großeltern verhielt es sich genauso. Daher konnte ich meine Phantasie und Kreativität voll betät i gen. Der Enkel sagte, in diesen alten Büchern steht, daß früher unter pha n tasielosen Staatsmachern oder auch Eltern, Lehrern und solchen Unterdr ü ckerpersönlichkeiten für Phantasiebesitzer das Leben furchtbar gewesen sei, sie seien dauernd in ihrer Kreativität total behindert worden, auch eingesperrt und sogar totgeschlagen, wenn sie sich nicht gleich selbst umbrachten.
    Das mag schon vorgekommen sein, sagte der alte Nostal, als Phantasie-Inhaber und Kreative noch selten auftraten, Zufallsprodukte waren, mer k würdige Bildungen der Natur, und daher von der Gesellschaft als regelwi d rig empfunden wurden. Als ich geboren wurde, fing es gerade an, sich zu gehören, die Kinder vorgeburtlich mit Phantasie und Kreativität, mit Fa und Cre, auszurüsten. Und meine Eltern hörten mir geduldig zu, bestaunten, was ich zerbastelte, beschmierte, fanden es höchst Cre, wenn ich den B a dewannenabfluß verlegte und in der Küche einen Springbrunnen tanzen ließ, selbst wenn dabei das Abendessen fortschwamm. Natürlich gingen ihnen auch mal die Nerven durch, zum Beispiel als ich neue Fenster ko n struierte, durch die es dauernd zog, weil sie nur lose in den Rahmen hingen und wehten, wobei sie aber in sehr schönen Farben schillerten. Gerade dadurch, daß meine Eltern auch schimpften und ich dann einen Hauch von Unterdrückung spürte, wurde ich noch viel phantasievoller und kreativer. Heute denke ich aber, man hätte einige schwach oder gar nicht mit Fa und Cre Besetzte übriglassen oder die Grade abstufen und dabei die dominante Vererblichkeit einbauen sollen. Weil darauf nicht geachtet wurde, sieht heute auf dieser Erde alles so chaotisch aus. Darum leben wir elend, ei n fach weil keine Menschenseele mehr existiert, die einem staunend, mißbi l ligend, wütend, dämlich glotzend zuhört, die uns aus Mangel an Vorste l lungskraft behindert. Bist du jemals in deiner Fa und Cre behindert wo r den?
    Das werde ich doch dauernd, sagte der Enkel böse, allein durch dein G e rede, wo ich mich auf das Muster im Teppich konzentrieren muß. Jetzt ist ein Loch zu groß gebrannt.
    Mach eine große Blume draus.
    Mußt du mir dauernd reinreden, wenn ich was mache? Das ist mein Mu s ter, das ich entwickle.
    Auf meinem Teppich, sagte Nostal.
    Das ist auch meine persönliche Idee. Wie kommst du überhaupt dazu, sie mir zu klauen, indem du sagst, es sei dein Teppich? Das habe ich selber ausgedacht, daß es dein Teppich sein muß, weil nämlich deiner so fußlig ist und besser nach gebratenem Staub stinkt, wenn man die Löcher rei n brennt, als der von meiner Mutter. Es ist auch ein Geruchsmuster, das ich entwickle.
    Ich hindere dich ja nicht, mein Junge. Aber wenn du dir unsere Städte ansiehst, Halbangefangenes, in einem Stil Begonnenes und in sechs and e ren Fortgeführtes, dann Stehengebliebenes, Ruinen… Kann man die öffen t liche Gruselschau denn noch als Stadt bezeichnen? Ja, früher, da ähnelte ein Häuserblock dem ändern. Da gab es eben nur die einschlägigen Formen der

Weitere Kostenlose Bücher