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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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wuchtige Gestalt füllte den Rahmen. Macnamara vergaß, dass er eine Pantomime aufführte. Er setzte sich auf und starrte den Eintretenden mit offenem Mund an. Das musste einer der alten Götter sein, wahrscheinlich aus dem nordischen Pantheon. Er war – ehrfurchtgebietend. Und gleichzeitig ein bisschen lächerlich und fast rührend in seiner Dramatik. Der Gott stützte sich auf einen derben Stock, hinter dessen knorrigem Augenschein sich etwas Schlankeres, Tödliches verbarg. Eine Waffe, ganz offensichtlich. Die breitschultrige Gestalt war in einen zerschlissenen, mitgenommen wirkenden Mantel gehüllt und trug einen breitkrempigen Hut. Darunter blitzte ein eisgraues Auge, das andere wurde von einer schwarzen Stoffbinde verhüllt.Macnamara grub in seinem Gedächtnis. Wer war das noch?
    Er sprang auf und streckte die Hand aus. »Allvater Odin«, sagte er laut. Blessaður * ! Es ist mir ein Vergnügen!«
    Der Blick, der ihn traf, war gleichzeitig erstaunt und streng. »Talarðu íslensku * ?«, fragte der Ase mit donnernder Bassstimme. »Wie lange schon habe ich die Sprache meiner Nachkommen nicht mehr vernehmen dürfen!«
    »Ich spreche ein wenig Isländisch«, gab Macnamara bescheiden zu. »Sprachen sind mein Steckenpferd. Aber ich bin kein Nordmann, nein.«
    »Schade«, grollte der Ase. »Du bist doch wohl nicht etwa der Mann, der mich so lange hat warten lassen?« Sein Auge schleuderte Blitze.
    Der Assistent des Sekretärs räusperte sich. »Wenn ich unterbrechen dürfte«, sagte er. »Herr Dinesh, der Sekretär des Direktors, erwartet Sie. Dort durch die Tür, bitte.«
    Macnamara sah dem Asen nach, wie er durch die Tür schritt. Kurz darauf hörte er die donnernde Stimme des Gottes brüllen: »Was fällt dir ein, frecher Midgard-Spross?«
    Mit einem Seufzen steckte er sich erneut seinen Ausweis an, nickte Aram zu und fragte: »Wo finde ich den Anwärter, der mir zugeteilt worden ist?«
    »Wartezimmer vier«, erwiderte der Assistent nach einem flüchtigen Blick auf seinen Monitor.
    Macnamara schob sich einen Streifen Kaugummi zwischen die Zähne, kaute ihn hastig weich, zog einen kleinen Handspiegel aus der Tasche, um den Sitz seines Hutes und seinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren, befand beides für hinreichend lässig und öffnete die Tür zum Wartezimmer.
    Ein junger Engel in der schlichten, weißen Gewandung des einfachen Soldaten stand von seinem Stuhl auf und sah ihn erwartungsvoll an. Macnamara nickte ihm zu. »Du bist der Anwärter Ravi Surya?«
    »Der bin ich«, sagte der Engel. »Sie sind mein Vorgesetzter?«
    Macnamara bewegte unbehaglich seine Schultern. Das war der Moment bei jeder neuen Mission, der ihm zutiefst verhasst war. »Major Macnamara«, sagte er knapp. »Nein, bitte, tu mir und dir den Gefallen – nicht salutieren!«
    Der junge Engel ließ die erhobene Hand fallen und grinste schief. »Sie haben wahrscheinlich meine Akte gelesen. Ich bin kein besonders guter Soldat.«
    »Den Mächten des Lichts und der Dunkelheit sei gedankt!« Macnamara blickte sich angewidert um. Die Warteräume des PLANs waren überaus spartanisch ausgestattet. Es war ein Wunder, dass überhaupt Stühle darin standen. »Ich würde mich gerne mit dir unterhalten. Aber nicht hier.«
    Er öffnete die Tür und bedeutete dem jungen Engel, ihm zu folgen. Während sie nebeneinander zum Aufzug gingen, musterte Macnamara den Jungen von der Seite. Gut aussehender Bursche, dachte er. Da hat mindestens ein Mädchen – oder ein Junge? – heiße Tränen vergossen, als er abberufen wurde. Vom Namen und Aussehen her Inder. »Sonne«, sagte er laut.
    »Bitte?«, fragte der junge Engel, der ihn ebenso neugierig, aber weniger verhohlen und mit deutlichem Befremden gemustert hatte.
    »Sonne«, wiederholte Macnamara. »Das bedeutet dein Name. Ravi Surya. Zweimal ›Sonne‹, wenn man es genau nimmt.« Er drückte auf den Liftknopf.
    Der Junge zuckte gleichgültig die Schultern. »Ja. Stimmt schon.« Er bemühte sich, Macnamara nicht allzu offensichtlich anzustarren, druckste ein wenig herum und sagte dann: »Sie sind kein Engel.«Es klang beinahe vorwurfsvoll.
    »Die Mächte mögen es verhüten«, sagte Macnamara entsetzt. »Möchte ich auch nicht sein. Verdammte Stratokratie * !«
    »Amen«, stimmte der junge Engel aus vollem Herzen zu. »Aber warum sind Sie dann Major?«
    Macnamara knirschte mit den Zähnen. »Das ließ sich nicht verhindern«, sagte er schroff. »Der PLAN ist zwar keine militärische Einrichtung …«, er wurde

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