Projekt Atlantis
Kolonien gingen wieder unter und gerieten in Vergessenheit. Andere vergaßen ihre Wurzeln und begannen von Neuem. Wieder andere vermischten sich mit den Ansässigen. Vielerorts wurden die Weisen der Atlanter zu Lehrmeistern, und ihr Vermächtnis ist nicht nur in der globalen Erinnerung an eine Sintflut erhalten geblieben. Auch die plötzliche Steinarchitektur, der weltweite Bau von Pyramiden, die Erzählungen der mittelamerikanischen Völker von bärtigen Schöpfern, die Legenden von Lehrmeistern und Kulturbringern, die bärtigen Pharaonen, auch viele Erzählungen von Propheten und Göttern, dies geht fast alles auf jene Zeiten zurück.«
Eine Landkarte zeigte sich, auf der die Ströme dieser urzeitlichen Diaspora zu sehen waren.
»Das Wissen sollte bestmöglich erhalten bleiben. Aber es war auch klar, dass vieles von dem, was in Atlantis bereits erreicht worden war, für die anderen Völker noch nicht geeignet war. Zu groß wäre die Verlockung der Macht gewesen und zu verheerend der mögliche Missbrauch. Denn große Macht bedeutet eine große Verantwortung und verlangt nach Erfahrung und moralischer Festigkeit. Daher wurde das Prinzip der Hüter geschaffen, deren Aufgabe es sein sollte, die Archive des Wissens und das atlantische Erbe durch die Zeit zu bewahren, bis der richtige Zeitpunkt gekommen wäre.
Die Archive in Atlantis selbst wurden in den letzten wenigen Jahren, die dem Rest des Kontinents nach der Katastrophe noch verblieben, so gesichert, dass sie auch unter Wasser geschützt sein würden. Das Symbol auf dem Tor bedeutet, wie ich schon sagte, ›Schutz‹, aber es geht nicht um die Energiequellen, die sind lediglich ein Mittel, sondern es geht um diesen viel größeren Schatz hier. Viele der anderen Archive auf der Welt gingen bei Naturkatastrophen verloren, einige mussten vernichtet werden, um sie vor der Entdeckung zu schützen. Eines davon, in Frankreich, habe ich selbst zerstören müssen.«
Langsam verblasste die übergroße Landkarte, der Lichtstrom erlangte seine ursprüngliche Form wieder, und die Helligkeit im Saal nahm zu.
Peter und Patrick erwachten wie aus einer Trance.
Es dauerte eine Weile, bis Peter das Wort ergriff. Seine Stimme klang seltsam dünn in dem großen Raum.
»Dann... sind Sie...«, er zögerte, die absurde Frage in Worte zu fassen. Aber was war nun noch absurd? »Stammen Sie von Atlantis?«
Sie lächelte. »Nein, nicht aus jener Zeit. Aber auf eine gewisse Weise schon. Ich bin atlantischer Abstammung und einer der letzten Hüter der letzten Archive. Die Lebenserwartung der Atlanter war wesentlich höher als bei den heutigen Menschen. Erinnern Sie sich an das Alte Testament. Die ersten Generationen werden dort noch mit einem Lebensalter von über neunhundert Jahren angegeben, bis sie immer kürzer werden und sie sich schließlich bei etwas unter hundert einpendeln. Ebenso im Gilgamesch-Epos. Auch das ist ein Überrest aus jener vorgeschichtlichen Zeit, in der sich das atlantische Blut immer weiter verdünnte. Für die Hüter jedoch war es wichtig, möglichst lange zu bestehen, damit nur selten neue ausgewählt werden mussten, deswegen durften sie nur unter ihresgleichen bleiben. Ich bin daher eine direkte Nachfahrin dieses uralten Volkes, wenngleich auch ich fast so viele Generationen davon entfernt bin, wie Sie es von den Kreuzzügen sind.«
»Wie viele Hüter gibt es?«
»Wir sind nur noch drei wahre Hüter. Es gibt aber einige Menschen, denen wir einzelne Archive für ihre Lebenszeit anvertraut haben. Einen davon haben Sie in Ägypten kennengelernt und miterlebt, wie er seine Aufgabe weitergegeben hat.«
Oliver Guardner und Melissa, dachte Peter. Es fügte sich alles in ein Bild.
»Und was ist der Plan mit uns?«, fragte Peter. »Ich vermute, dass dieser Steffen van Germain oder Al Haris, wie er sich in Kairo nannte, ebenfalls einer von Ihnen ist. Der steckt doch dahinter!«
Wieder lächelte Stefanie. »Es geht um diese Archive hier, die vielleicht wichtigsten Relikte und Belege unserer Kultur. Wir beobachten Sie schon sehr lange, Professor. Und wenn wir es schaffen würden, dass Sie sich ernsthaft mit Atlantis auseinandersetzen und sogar wagen würden, es zu suchen, dann wären Sie unser bevorzugter Hüter. Das ist auch der Grund, weswegen ich Sie beide bei Ihren Projekten immer begleitet habe. Allerdings steht Ihnen die letzte Prüfung...« Sie stockte und streckte einen Arm aus, hielt ihn in die Lichtsäule. »Wir sind nicht allein«, erklärte sie
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