Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Ich habe in ungefähr dreißig Minuten einen Termin bei Dr. Moore und muss rüber in die Akademie.«
Sie verdreht die Augen. »Ich verstehe nicht, wie du es aushältst, mit diesem Kerl zusammenzuarbeiten. Er ist so zudringlich.«
»Und außerdem muss ich ihm direkt Bericht erstatten.«
Noch ein Grund, warum sie Moore niemals gestatten würde, irgendwelche Tests mit ihr zu machen -falls er nachwies, dass sie doch eine Geistmächtige war und keine Lichtmächtige, wäre sie ihm direkt unterstellt. Nur über ihre Leiche. Mehr als einmal schon hatte sie den nackten Hunger in den Augen des Arztes gesehen. Es war derselbe Hunger, der in Frankensteins Blick gelegen hatte, als er sein Monster erschuf dessen war sie sich ganz sicher.
»Gott sei Dank bin ich keine Geistmächtige«, murmelt sie. »Denn dann würde der Typ mich nie wieder aus den Klauen lassen, bis ich ihm erlaube, in meinen Kopf zugucken und nachzusehen, wie ich ticke.«
»Er ist ein Getriebener«, sagt Hai und streichelt über die Rundung ihrer Hüfte. »Ich bewundere diese Art von Hingabe.«
»Du bist ein guter Mann, Hai Gibbons.«
»Ich bin ein geiler Mann, Holly Owens.« Seine Hand gleitet tiefer, und Holly entfährt ein zustimmendes Stöhnen. »Noch ein paar Minuten?«
»Mmmm.«
»Ich liebe es, wenn du das tust«, flüstert er. »Wenn du deine Augen schließt und dich einfach deinen Gefühlen überlässt. Ich möchte mir dein Bild ganz tief ins Gedächtnis brennen.«
Sie lacht. »Du bist so ein Romantiker.«
»Bei dir? Absol …« Seine Stimme verklingt.
»Hai?« Holly öffnet die Augen und sieht, wie ihr Geliebter mit unkoordiniertem Blick ins Leere starrt. »Hai? Alles in Ordnung mit dir?«
Keine Antwort.
»Hai«, wiederholt sie, nachdrücklicher. Als er immer noch nicht reagiert, berührt sie ihn an der Schulter. »Hypnotic. Was ist los?«
Er blinzelt einmal, ganz langsam. Dann richtet er seinen dunklen Blick auf sie. »Entschuldige.« Seine Stimme klingt fremdartig und verwirrt, kriecht über Hollys nackten Rücken wie eine Schlange. »Ich war in Gedanken.«
Sie ist nicht überzeugt. »Sicher?«
»Ja.« Lächelnd lässt er seinen Blick über ihren Körper wandern. »Ich liebe es, dich zu berühren«, sagt er. Seine Hand fährt nach oben und umschließt ihre Brust.
Sie schmiegt sich in seine Bewegung hinein, und ihre Besorgnis schmilzt dahin.
Sie spürt ein kurzes Zwicken am Arm, doch schon ist es wieder vorbei, weggewischt von Hals weichen Küssen, die weiter hinaufwandern, über ihre Schulter, über ihren Nacken. Sie beachtet es gar nicht. Hai wird manchmal ein wenig grob – zwickt sie, beißt sie, schlägt sie. Er braucht es, und Holly lässt ihn gewähren, weil sie ihn liebt.
Wieder sind seine Hände auf ihr, bewegen sich rhythmisch, besänftigend. Holly stöhnt leise auf, fühlt sich warm und schläfrig, schließt die Augen, driftet weg.
Als sie am nächsten Morgen aufwacht, liegt sie in ihrem eigenen Bett, und Victoria droht gerade damit, ihr einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf zu schütten, wenn sie nicht aufsteht und mit ihr auf Streife geht. Holly bewegt sich wie in Zeitlupe, hat fast das Gefühl, betrunken zu sein. Lachend hält ihr Valerie eine Tasse Kaffee unter die Nase. »Lieber Gott, wenn der Sex mit Doctor Hypnotic dermaßen gut ist, sollte er vielleicht mal überlegen, ob er seinen Namen nicht in Doctor Love ändert. «
Holly grinst. Sie ist immer noch ein wenig benommen, und ihre Gliedmaßen fühlen sich an wie Gummi. Ja, dieser Tag auf Streife würde ein ganz mieser Tag werden. Aber angesichts der letzten Nacht war es das wert.
»Hai geht es gut«, beantwortete Holly Valeries Frage.
»Du hast dich nicht mit ihm gestritten oder so was?«
»Nein.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ehrlich. Ich schlafe zur Zeit einfach schlecht.«
Und seit dieser letzten Nacht mit Hai wurde sie von Albträumen geplagt, entsetzlichen Bildern, die zersplitterten, sobald sie versuchte, sich auf sie zu konzentrieren. Wie lange ging das jetzt schon? Eine Woche? Zwei? Sie wusste es nicht.
»Vielleicht solltest du dich mal durchchecken lassen«, meinte Valerie skeptisch.
Holly erbebte. Klar, natürlich konnte sie der Krankenstation der Schwadron einen Besuch abstatten. Aber wenn das hier etwas anderes war, etwas Psychologisches, würde Corp sie zwingen, in die Akademie zu gehen, in den Trakt der Geistmächtigen, zur Evaluation. Und das wollte Holly um jeden Preis vermeiden. Sie würde niemals Dr. Moores Spielzeug sein.
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