Projekt Sakkara
Teil der Finsternis, in dem sie den Kanal vermuteten. Und tatsächlich: Dort war ein Schimmer auszumachen, das Wasser glitzerte ganz schwach, als befänden sich hinter der nächsten Biegung Lichter.
»Verdammt!«, zischte Patrick. »Sie kommen. Jetzt aber nichts wie weg hier! Los, Peter, leuchten Sie uns den Weg durch den Tunnel.«
Peter schaltete die Lampe ein und ging in den Gang. Melissa und Patrick folgten unmittelbar darauf.
Es war ein grob behauener und schmuckloser Tunnel, der sich durch die Dunkelheit zog. Sie folgten seinen Windungen und Absätzen, unsicher, wo er sie hinführen würde. Einmal kamen sie an eine Abzweigung, nur um festzustellen, dass es lediglich eine kleine Gabelung war, die wenige Meter dahinter wieder zusammenlief. Der Gang wirkte mehr und mehr wie ein natürlicher Stollen. Der Boden bekam eine glänzende, fast rutschig-glatte Beschaffenheit. Als Peter die Wände berührte, merkte er, dass sie nicht nur kalt, sondern feucht waren. Längst schon machte der Weg nicht mehr den Eindruck eines ägyptischen Grabkomplexes in der Wüste, sondern vielmehr ...
Er konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, als sie um eine Biegung des Tunnels traten und unvermittelt am Rand einer riesigen Kaverne standen, die sich um viele Meter nach oben und nach unten hin erweiterte. Es war eine gigantische Tropfsteinhöhle.
Atemlos blieben sie stehen. Melissa ergriff Patricks Hand.
»Unfassbar!«, entfuhr es Peter. »Das ist überwältigend!«
Der Schein der Lampe wanderte an marmorweißen Stalagmiten empor, glatt und mit polierten Rillen versehen. Von der Decke hingen versteinerte, goldene Vorhänge, die im Wind zu wehen schienen, doch für alle Ewigkeit erstarrt waren. Daneben befanden sich hauchfeine weiße Fäden, die wie ein Gespinst von der Decke hingen. Rostrote und fast schwarze Stalaktiten bildeten organisch anmutende Säulen, die sich von der Decke bis auf den zehn Meter tiefer liegenden Boden erstreckten. Und dort unten wuchs ein weißgelb glänzender Berg aus zahllosen Tropfsteinen empor, einer monumentalen Orgel gleich, die einen unhörbar langsamen Choral für eine andere Wirklichkeit spielte.
»Das muss ja über viele Jahrtausende in einem völlig anderen Klima entstanden sein«, sagte Peter ergriffen. »Und noch immer hält sich hier Feuchtigkeit ... Was für eine Sensation! Patrick, wir haben eine wahrhaftige Tropfsteinhöhle in der Wüste gefunden. Dann stammt das Artefakt, das uns Oliver Guardner in Hamburg gab, tatsächlich aus Sakkara! Wir sind auf der richtigen Spur.«
»Ja, so sieht's aus«, sagte Patrick, »aber wir werden immer noch verfolgt und sollten uns beeilen, dass wir unser Ziel auch erreichen.«
»Ja, natürlich!« Peter nickte und suchte mit dem Schein der Lampe die nähere Umgebung ab. Sie entdeckten eine Passage, die sie weiterführte, an der kathedralenartigen Halle vorbei und in einen neuerlichen Tunnel.
Der Gang wand sich eher zufällig durch ein Labyrinth von Grotten, immer wieder versperrten mächtige Stalaktiten den Weg, so dass sie sich durch schmale Spalten zwängen mussten, ein anderes Mal wurde der Tunnel so niedrig, dass sie nur gebückt vorwärtskamen. Lediglich der verhältnismäßig ebene Boden ließ vermuten, dass sie sich tatsächlich auf einem Pfad mit unbekanntem Ziel befanden.
Sie folgten ihrem Weg, bis sie an eine erste Abzweigung gelangten. Der Gang war hier etwas breiter, und im Schein der Lampe entdeckte Melissa eine Höhlung zu ihrer Linken. Der Fußboden dort war auf dieselbe Weise geebnet wie vor ihnen. Es war der einzige Hinweis, dass auch dies ein gangbarer Weg sein könnte. Sie entschieden sich dennoch, weiter geradeaus zu gehen, und versuchten, sich die Stelle einzuprägen, falls sie hierher zurückkommen mussten, um sich dann anders zu entscheiden.
Ihre Reise wurde immer beschwerlicher. Sie befanden sich nun schon mehrere Stunden unter der Erde. Es war spät, die Kälte ihrer nassen Kleidung zehrte an ihnen, und ihre Kräfte wichen einer körperlichen Mattigkeit. Bald schon hatten sie keine bewundernden Blicke für die wundersame Umgebung mehr übrig, sondern konzentrierten sich einzig auf ihre Schritte. Immer öfter mussten sie rutschige Tropfsteinkissen überwinden, sich an Stalaktiten vorbeidrängen, oder dicht an überhängende Wände gepresst, schmale Simse überqueren. Mehrfach fanden sie ähnlich geartete Gabelungen wie zuvor, doch jedes Mal entschieden sie sich, auf dem Hauptweg zu bleiben. Wenngleich sie sich mutmaßlich immer
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