Projekt Wintermond
meinem Büro sind wir ungestört.«
Carusos Büro mit Blick auf einen kleinen Hof, auf dem ein sprudelnder Brunnen stand, befand sich im zweiten Stock. Auf dem Schreibtisch lag eine aufgeschlagene rote Aktenmappe. In einem Silberrahmen stand ein Foto von Caruso und einer hübschen dunkelhaarigen Frau, vermutlich seine Ehefrau. Der commissario lauschte Jennifers Worten, die über ihre Begegnung mit McCaul am Morgen berichtete.
»Jetzt verstehe ich«, sagte er, nachdem Jennifer geendet hatte.
»Sie haben mit der Schweizer Polizei über Chucks Tod gesprochen?«, fragte McCaul.
»Ja, gestern«, erwiderte der commissario.
»Was haben Sie erfahren?«
»Die Schweizer Kollegen glauben an einen Unfall.«
»Verdammt!«, fluchte McCaul. »Das war Mord, kein Unfall!«
Caruso hob die Brauen. »Was macht Sie so sicher?«
McCaul warf seine Visitenkarte auf den Schreibtisch.
»Ich bin Privatdetektiv. Die Umstände von Chucks Tod deuten auf einen Mord hin.«
Caruso betrachtete die Visitenkarte. »Vielleicht können Sie mir das erklären. Die Schweizer Polizei hat bisher keine Beweise für einen Mord gefunden. Dieser Reporter, mit dem Ihr Sohn sich auf dem Furkapass getroffen haben soll…«
»Emil Hartz.«
»Ja. Nach Aussage der Schweizer Polizei gibt es in Zürich keinen Reporter mit diesem Namen.«
»Ich weiß. Ich habe es ebenfalls überprüft.«
»Vielleicht hat Ihr Sohn sich mit dem Namen geirrt. Außerdem war er noch sehr jung, und vielleicht fehlte ihm als Bergsteiger die nötige Erfahrung. Könnte es nicht sein, dass er einen zweiten Unfall hatte?«
»Chuck war ein sehr guter Bergsteiger. Ich bin sicher, dass er nicht gestürzt ist«, erwiderte McCaul verärgert.
»Und an den Namen Emil Hartz erinnere ich mich ganz genau.«
»Wollen Sie damit andeuten, dieser Hartz – falls es ihn gibt – hätte Ihren Sohn ermordet?«
»Wenn nicht, weiß er vielleicht, wer der Täter war.«
»Welches Motiv soll er gehabt haben?«
»Das werden Sie mir sagen. Sie sind der commissario«, stieß McCaul wütend hervor. »Ich weiß nur, dass Chuck die Leiche gefunden hat und jetzt tot ist. Sie werden dafür bezahlt, die Motive aufzudecken. Bisher sehe ich nur einen commissario, der auf seinem dicken Hintern sitzt und sich nicht einmal bemüht, Antworten zu finden.«
Caruso errötete. »Ich kann Ihre Wut verstehen. Aber ich kann Ihnen nur zum wiederholten Mal versichern, dass die Schweizer Polizei den Unfallort untersucht hat, und in der Regel arbeiten die Schweizer Kollegen sehr gründlich.«
»Wie sieht es mit Fingerabdrücken aus?«
»Es wurden nur die Ihres Sohnes gefunden. Seinen Leihwagen hat man ebenfalls überprüft. Es gibt keine Spuren, die auf ein Treffen mit einer anderen Person am Furkapass hindeuten. Keine Notizen in seinem Wagen, seiner Kleidung oder seinem Hotelzimmer.«
»Fußabdrücke im Schnee kann man verwischen.«
»Ich muss mich wiederholen, Signor McCaul. Es gibt keine Spuren, die auf einen Mord hindeuten. Am Furkapass kann es um diese Jahreszeit ziemlich gefährlich sein. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Unfällen, bei denen Touristen in den Abgrund gestürzt sind. Könnte es nicht doch ein Unfall gewesen sein?«
»Nein. Chuck hatte keinen Unfall. Nach seinem Sturz am Wasenhorn war er überaus vorsichtig. Das hat er mir versprochen. Außerdem gibt es da noch etwas, was Sie wissen sollten. Vermutlich hat jemand versucht, Jennifer zu töten.«
»Ist das wahr, Signorina?«
»An den Bremsen meines Geländewagens hat sich jemand zu schaffen gemacht.« Jennifer berichtete über die Vorfälle am Morgen.
»Sind Sie sicher, dass jemand an den Bremsen herumgepfuscht hat, Signor McCaul?«, fragte Caruso.
»Ich habe es selbst gesehen. Die Schläuche wurden herausgerissen.«
Caruso machte sich Notizen. »Seltsam. Haben Sie eine Idee, Signorina March, wer es darauf abgesehen haben könnte, Sie zu töten?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung.«
Caruso schüttelte den Kopf. »Leider habe ich nicht die Möglichkeit, in der Schweiz zu ermitteln. Ich werde die Kollegen bitten, den Fall besonders gründlich zu untersuchen. Mehr kann ich im Augenblick nicht tun.«
Als McCaul den Mund öffnete, hob Caruso die Hand.
»Wir sollten nicht vergessen, warum Sie gekommen sind. Signorina March. Sie sind hier, um Ihren Vater in identifizieren.«
Jennifers Magen verkrampfte sich, als Caruso die rote Mappe vom Schreibtisch nahm. Er zögerte. »Da wäre noch etwas, Signorina.« Er öffnete die Mappe, in der ein
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