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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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laufendem Motor in der Einfahrt stehen blieb. Ich hörte, wie das Garagentor immer wieder auf- und zuging, also bin ich raus, um nachzusehen, was los war, und sah, dass Maggie versuchte das Armaturenbrett des Autos mit dem Garagentüröffner zu steuern.«
    »Lebt sie noch bei Ihnen?«, fragte Sebastian.
    »Ja, natürlich«, erwiderte Ramon. »Sie wird nie in eins dieser üblen Heime kommen, nicht, solange ich lebe.«
    »Passt Mateo immer noch tagsüber auf sie auf?«, erkundigte sich Libby.
    »Ja, Gott sei Dank.« Ramon nickte. »Mateo hat einen Abendjob in einem Restaurant angenommen, damit er bei Maggie sein kann, wenn ich arbeite. Er ist ein guter Junge, er beklagt sich nie darüber, wie schlecht das Denken seiner Mutter geworden ist oder was für eine Schweinerei sie jetzt anrichtet. Ich bin ein glücklicher Mann, dass ich solche Kinder habe.« Er lächelte zufrieden.
    »Es hat sehr wenig mit Glück zu tun, wenn man verantwortungsbewusste Kinder hat«, bemerkte Tess. »Ihr habt wunderbare Kinder, weil du und Maggie wunderbare Eltern wart – und es ist großartig, dass ihr beide Mateo so unterstützt habt. Es gibt so viele Eltern, die ihre schwulen oder lesbischen Kinder verstoßen, emotional oder sonst wie, wenn sie die Wahrheit erfahren.«
    »Mein Sohn ist mein Sohn«, stellte Ramon stolz fest, »ob ich ihn nun verstehe oder nicht. Er ist ein guter Junge und ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht vorstellen.« Er bohrte die Gabel in sein Tiramisu und schob sich einen großen Bissen in den
Mund. »Es geht nur alles so schnell«, fügte er mit vollem Mund hinzu. »Mir scheint es wie gestern, dass die niños noch klein waren, und jetzt sind wir – alt.« Er lachte und die beiden Frauen lachten mit ihm.
    Libby wandte sich an Sebastian. »Was hat Ihre Religion über Krankheiten wie Alzheimer zu sagen?«
    Er zuckte die Achseln. »Der Körper nutzt sich ab, wie eine alte Maschine, mehr nicht. Da gibt es keine spirituelle Komponente.«
    »Richtig, hatte ich ganz vergessen«, kommentierte Tess. »Tod und Krankheit sind ja ganz normale Prozesse in Ihrer Welt.«
    »In unserer etwa nicht?«, fragte Libby betont.
    »Was für eine Religion haben Sie denn?«, wollte Ramon von Sebastian wissen.
    »Es ist eher ...«, Sebastian hielt kurz inne, »eine Philosophie als eine Religion.«
    »Er glaubt, dass gerade eine neue Spezies Mensch auf der Erde erschienen ist«, erläuterte Tess, »was den Tod des alten Gottes und die Ankunft des neuen Gottes ankündigt.«
    »Klingt nach Science-Fiction und Außerirdischen«, bemerkte Ramon gleichgültig und schlürfte etwas Kaffee aus dem Becher, den er in der Hand hielt. »Ich weiß ja nicht, warum die Leute unbedingt große Kirchen brauchen, um glücklich zu sein. Ich finde, Glück, das ist gute, harte Arbeit, jemanden zu haben, der einen liebt und den man liebt, für Kinder und Tiere zu sorgen und gelegentlich eine Romanze – wenn auch nur im Kopf.« Er lachte leise. »Und ein gutes Glas Wein weiß ich auch zu schätzen.«
    »Hört, hört«, meinte Tess zustimmend und stieß mit ihrem Kaffeebecher erst mit Ramon und dann mit Libby an.
    »Aber Ihre Frau ist richtig krank«, wandte Sebastian ein, »und Ihr Sohn ist im Krieg gefallen. Und nehmen Sie’s mir nicht übel, aber offenbar haben Sie Ihr Leben lang hart gearbeitet,
ohne allzu viel dafür zu bekommen, wenn ich mir so anschaue, wie Ihr Laster aussieht. Ich meine, wollen Sie nicht auch gern schönere Sachen haben? Und wollen Sie nicht wissen, warum schlimme Dinge geschehen?«
    »Junger Mann«, sagte Ramon sanft, »Sie können einen Menschen nicht nach dem beurteilen, was Sie sehen, wie meinen alten Toyota. Man kann an der Ladefläche nicht ablesen, wie viel wir gespart haben oder wie viel wir besitzen – oder, was am wichtigsten ist, wie groß meine Liebe für meine Familie und meine Freunde ist. Schauen Sie, mein Gott hat mir bereits alles gegeben, was ich haben will. Ich bin ein glücklicher Mensch, keine Frage. Ich habe die Erinnerung an viele glückliche Jahre, die mir diese traurige Zeit versüßen, und ich habe gute Freunde, die mir noch mehr glückliche Erinnerungen bescheren.« Er lächelte Libby und Tess an und sie spiegelten seinen liebevollen Blick. »Sie sind zu jung, um zu wissen, dass das Glück nicht von einem glänzenden neuen Wagen abhängt« – Ramon wies mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf den Porsche Cayenne, der draußen geparkt war – »und auch nicht von einem vollen Bankkonto oder einem

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