Prophetengift: Roman
Gesicht, das die Leute gern ansehen.«
Sebastian tat so, als würde er die Lektion ignorieren, die der alte Mann ihm erteilt hatte, und verspeiste schweigend sein Tiramisu.
»Schaut, es regnet«, verkündete Libby.
Sie drehten sich um und sahen, dass die Holzveranda hinter den Fenstern dunkel glänzte wie frisch lackiert, und das Meer war aufgewühlt.
»Ich geh besser mal«, sagte Ramon, schob seinen Stuhl zurück und hievte sich hoch. »Maggie weiß vielleicht nicht mehr, wer ich bin, aber sie sitzt immer noch gern an einem regnerischen Tag mit mir am Feuer.« Er hielt Sebastian die Hand hin. »Vielen Dank, Amigo, für Ihre Hilfe. Sie haben mir geholfen, und das werde ich nicht vergessen.«
Sebastian stand auf und schüttelte ihm die Hand. »Ich hoffe, Ihrer Frau geht es bald besser, und es tut mir leid wegen Ihres Sohnes.«
Ramon klopfte ihm auf den Rücken. »Passen Sie auf, dass Sie nicht an einem so üblen Ort landen, wie es mein Jesse getan hat, denn Sie wollen doch nicht, dass Ihre Mama sich so furchtbare Sorgen machen muss.« Er küsste erst Libby und dann Tess leicht auf die Wange. »Ihr seht jedes Mal jünger aus, wenn ich euch sehe. Wie macht ihr das nur?«, fragte er. »Ihr müsst las brujas sein!«
»Du alter Bulle, flirtest immer noch mit den Damen«, lachte Tess. Dann nahm sie Ramons Hand und drückte sie. »Bitte pass auf dich auf und grüß Maggie und Mateo.«
»Mach ich«, rief Ramon über die Schulter zurück. »Und wenn das Dach lecken sollte, gebt nicht mir die Schuld. Sondern dem hübschen Jungen!«
Dann war er fort.
Sebastian fing an den Tisch abzuräumen, aber Tess hinderte ihn daran. »Für heute haben Sie sich Ihren Unterhalt verdient«, sagte sie. »Ruhen Sie sich aus – Unterkunft und Verpflegung gehen heute auf uns, übrigens. Ich rufe Sie, wenn das Essen fertig ist.«
»Danke. Ganz ehrlich.« Sebastian wanderte über den langen Flur zur Curcio-Suite, mit Maxi im Schlepptau. Als er die Tür öffnete, sprang der Hund aufs Bett, aber diesmal verscheuchte Sebastian ihn nicht. Stattdessen setzte er sich neben das hechelnden Tier auf die Bettkante und streifte seine Schuhe ab.
Dann zog er sein iPhone aus der Tasche und gab die Nummer seiner Mutter auf der Tastatur ein.
17
Kittys SMS hatte Sebastian keine Ruhe gelassen und er konnte ein vages Gefühl von Beklemmung nicht abschütteln. Die Formulierung »Es geht um Luke« konnte alles Mögliche bedeuten, und er hatte im Kopf die verschiedensten Varianten durchgespielt, bis er sich endlich geschlagen gab. Zwar hatte er sich geschworen, Kitty einfach zu ignorieren, aber jetzt entschied er seinen Schwur dieses eine Mal zu brechen – um seines Seelenfriedens willen.
Das Telefon am anderen Ende klingelte zweimal.
»Endlich«, sagte ihre Stimme.
»Hi Kitty.«
»Ich hatte solche Angst, du würdest nicht anrufen«, log sie. Sie wusste sehr gut, dass ihr Sohn es nicht schaffen würde, sie allzu lange zu ignorieren.
»Ja. Also, was ist?«
Maxi warf sich auf den Rücken, und Sebastian kraulte den vorstehenden Hundebauch, der an einen Tennisball erinnerte.
»Wo bist du?«, fragte sie, obwohl sie sehr gut wusste, wo er war. Sie hatte das iPhone mit einem Ortungssystem ausstatten lassen, bevor sie es ihm überreichte.
»Das spielt keine Rolle. Aber ich bin hier sicher.«
»Bist du im Haus in der Wüste?«, fragte sie mit gespielter Unschuld.
»Wie gesagt, es spielt keine Rolle. Warum hast du mir die SMS geschickt?«
Sie seufzte tief. »Wie wir schon erwartet hatten, haben Lukes Angehörige eine große Anwaltssozietät eingeschaltet und verklagen uns auf sage und schreibe fünfundzwanzig Millionen Dollar . Luke braucht dich morgen früh hier, wegen der eidlichen Aussage.«
»Warum?«, fragte er sie. Was er eigentlich meinte, war: Warum brauchst du mich nur, wenn es irgendwas mit Geld zu tun hat?
»Weil wir einen Vergleich anstreben.«
»Aber wir haben nichts Falsches getan, Kitty. Glaubst du nicht, der Richter und die Geschworenen werden das ebenso sehen?«
»Das Risiko will Larry nicht eingehen. Diese Leute haben eine renommierte Kanzlei eingeschaltet, die schon gegen Scientology geklagt und gewonnen hat. Sie verklagen uns wegen Betrugs und Nötigung.«
»Aber wir sind nicht Scientology«, fuhr Sebastian sie an. »Und wir haben niemanden genötigt.«
»Und genau aus diesem Grund ...« – sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette – »musst du morgen früh bei Larry erscheinen.«
»Kitty, ich muss Schluss
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