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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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zurückging.
    »Ich leg deine Sachen in den Kühlschrank«, sagte Reed zu Sebastian, griff nach einer vollgepackten Plastiktüte und hielt sich mit der anderen Hand an der Reling fest, als das Boot zu schaukeln anfing.
    »Könntest du die Brezeln draußen lassen?«, bat Sebastian. Ohne ihre Antwort abzuwarten, verschwand er unter Deck, um sich die Schlafplätze genauer anzusehen: Die Toilette und die Dusche hatten Schimmelränder, die Kojen waren schmal, aber
frisch bezogen, die kleinen ovalen Bullaugen über dem Schlafbereich waren so dreckig, dass man kaum hindurchsehen konnte, und sämtliche Oberflächen waren entweder zerkratzt oder abgewetzt.
    Doch alles in allem machte das Boot einen soliden Eindruck.
    »Also, wo möchtest du gern hin?«, fragte Sebastian, als er wieder an Deck erschien und dabei sein schönstes Fotolächeln zeigte: das Gesicht im Dreiviertelwinkel, funkelnde smaragdgrüne Augen und weiße, ebenmäßige Zähne.
    Reed wich seinem durchdringenden Blick aus. »Ich ... ich komme nicht mit. Ich habe heute noch etwas zu erledigen.«
    »Aber ich dachte, du wolltest aufs Wasser?«
    »Ich hab was zu erledigen«, murmelte Reed. »Wie gesagt.«
    »Ach, komm schon«, bat Sebastian in einem sonoren, verführerischen Tonfall.
    Reed überlegte kurz und wog ihre ambivalente Einstellung zu Sebastian gegen das seladongrüne Wasser ab, das unter einem azurblauen Himmel glitzerte.
    »Gegen einen kurzen Törn wäre nichts einzuwenden, schätze ich«, sagte sie und blickte absichtsvoll auf ihre Uhr, »aber am frühen Nachmittag muss ich wieder zurück sein. Ellie und ich wollen einen Einkaufbummel machen. Schuhe.«
    »Prima! Also, wozu hättest du Lust?« Er wies mit weit ausholender Armbewegung in Richtung offene Bucht. »Wie wärs mit Alcatraz? Vielleicht können wir da einbrechen!«
    »Ich finde den Ort gruselig.« Reed schauderte. »Er sieht aus wie eine ausgebombte Schule.«
    »Wohin sonst also?«
    Reed blickte ihn nachdenklich an und legte ihre Handtasche auf den Tisch in der Pantry ab. »Ich finde, wir sollten nach Angel Island oder Tiburon hinausfahren ... Wir könnten aber auch die reichen Leute drüben in Belvedere ärgern«, sie wies zu
den Villen am Wasser in der Ferne, »indem wir unmittelbar neben ihren perfekten Anlegestegen ein Picknick auf dem Wrack hier veranstalten.« Sie öffnete einen der Küchenschränke und krauste die Nase, als sie die Krümel, das Einwickelpapier und die schmierigen Regale erblickte. »Das sieht ja alles ekelhaft aus. Wie willst du denn zwei Wochen lang hier wohnen?«
    Sebastian zuckte die Achseln. »Indem ich mich mit Fertiggerichten eindecke, nehme ich an. Also, willst du mein erster Maat sein?«
    »Und was muss ich da tun?«
    »Im Wesentlichen dafür sorgen, dass das Boot nicht sinkt.«
    Reed ließ ihren Blick über das etwas heruntergekommene Motorboot schweifen. »Ich bezweifle stark, dass ich dieser Herausforderung gewachsen bin.«
    »Das wäre ich wohl auch nicht.« Sebastian lachte. »Aber ich hab zufällig unter Deck ein paar Rettungswesten gefunden, es dürfte also alles gut gehen.«
    Behände machte Sebastian einen Satz auf den Anlegesteg, um die Leinen loszumachen, dann sprang er zurück an Deck und lief nach vorn zum Steuerstand, wo er erst den einen und dann den anderen Motor anließ. Augenblicke später – die Propeller brachten das Wasser unter dem brummenden, Qualm ausspuckenden Heck zum Schäumen – steuerte er das Boot rückwärts aus dem Liegeplatz, wendete und nahm Kurs auf die offene Bucht.
    Da es erst kurz nach zehn Uhr war, hing die Sonne über dem unebenen, rostfarbenen Gipfel von Angel Island wie eine Wärmelampe über einem gigantischen Apfelkuchen, und das Wasser war an dieser Stelle noch so flach, dass das Boot die sanften Wellen glatt durchschnitt.
    »Na, wie fährt sich das Boot?«, rief Reed durch das Rauschen des Windes und das rhythmische Spritzen der Gischt gegen den Bootsrumpf.
    »Man hat das Gefühl, als ob man eine riesige Matratze steuert«, antwortete Sebastian lachend und drehte das Lenkrad hin und her, während das Boot vorwärts schoss. »Siehst du?«
    Reed hielt sich an einem Haltegriff fest. »Wenn du so weitermachst, dann wirst du sehen, was ich zum Frühstück gegessen habe.«
    Sie fuhren recht nahe an die Bojen heran, damit sie die Küstenlinie von der Steuerbordseite aus betrachten konnten. Aus dieser Entfernung erinnerten die hell gestrichenen Häuschen von Sausalito an eine Miniaturstadt, komplett mit festgeklebten

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