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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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begann das Boot vorsichtig aus dem Liegeplatz ins Fahrwasser zu manövrieren. Augenblicke später fuhren sie durch die Bucht auf die ferne Insel zu, so als würden sie an einer sehr langen Leine dorthin gezogen.
    Reed ließ das Panorama auf sich wirken, das Meer, das Land und den Himmel, während die sonnenhellen Farben dem grauen Farbton des Abends wichen. In den letzten Minuten hatte
sie beobachtet, wie sich das Gelände der näher kommenden Insel von vollkornweizenbraun zu lavendelfarben veränderte, während der Himmel darüber helllila glühte und das umgebende Meer metallisch und stumpf wirkte, ähnlich wie die Unterseite von Aluminiumfolie.
    Doch was Reed verzauberte, das waren die Lichter.
    »Oh, die Lichter!«
    Wohin sie auch blickte – auf die Schattenrisse der Berge und den bombastischen Coit Tower, die Wolkenkratzer und Inseln, die Boote und Straßen – überall erschienen Lichter ... winzige Lichtkegel, die aus dem Dunkel hervorfunkelten ... mit jedem Augenblick wurden es mehr, bis die Nachtlandschaft vor den schwarzen Buckeln der hügeligen Küstenlinie glitzerte und funkelte. Und rechts von ihnen ragte aus dem Dunkel die mächtige Golden Gate Bridge mit ihrer tomatenroten Grandezza auf, deren Kabel sich von Turm zu Turm schwangen wie die Gleise einer Achterbahn in einem Vergnügungspark.
    »Sieh mal!«, sagte Reed zu Sebastian.
    Sebastian drehte das Lenkrad und stellte die Motoren aus. Das Boot trieb im Uhrzeigersinn, während die kolossale Brücke sich in seiner Windschutzscheibe spiegelte. Reed seufzte und genoss das sanfte Schaukeln. »Hast du je etwas Schöneres gesehen?«
    Sebastian wandte sich zu ihr um, er wollte sagen, was ihm auf dem Herzen lag, doch unerwarteterweise erfasste ihn eine Welle der Befangenheit. Doch dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen. »Ja«, sagte er schließlich und streckte den Arm nach ihrer Hand aus. »Dich.«
    »Für einen Teenager hast du ziemlich gepflegte Umgangsformen«, sagte sie und ließ seine Hand fallen. Dann wich sie zurück und sah ihn an. »Ich bin einfach nur neugierig ... Aber hat dir schon mal jemand, irgendjemand , einen Korb gegeben?« Sie nahm wieder auf der Sitzbank Platz.
    »Warum ist dir das so wichtig?«
    »Weil ich von deinen kurzen und zahlreichen Beziehungen gelesen habe und keine Lust verspüre, eine weitere deiner Wegwerf-Groupies zu werden.«
    Er lehnte sich an das Cockpit und verschränkte die Arme. »In mir hat sich einiges verändert, Reed – und ich sage das nicht nur so dahin. Ich habe Menschen kennengelernt, die mir dabei helfen, mein Leben neu zu bewerten.«
    »Zum Beispiel?«
    Sebastian schaute sie an; seine grünen Augen funkelten und wirkten ernst. »Dich.«
    »Und ... wie gehts mit den Tortellini voran?« Sie beschäftigte sich damit, ihre warme Jacke zuzuknöpfen.
    Sebastian trat in den Steuerstand und ließ die Motoren an. »Weißt du, mir hat noch nie jemand so den Kopf gewaschen wie du heute Nachmittag.«
    Reed blickte zu ihm hoch. »Und, hast du dich schon davon erholt?«
    »Ich bin nur überrascht.«
    »Warum?«
    »Weil, als wir uns kennengelernt haben, du mir da so schüchtern vorgekommen bist. Aber dann hast du mir gezeigt, dass du echt Feuer in dir hast. So jemanden wie dich habe ich noch nie kennengelernt.« Als er die Gashebel nach vorne schob, um die Rückfahrt nach Angel Island anzutreten, lächelte Reed ihn in der Dunkelheit an.
    Kurz darauf schaukelten sie, vor Anker liegend, in der kleinen Bucht vor der Insel, inmitten der wenigen anderen Boote, die dort über Nacht ankerten.
    Reed relaxte, während Sebastian den Tisch deckte, das Essen in die Mikrowelle schob, eine Kerze auf den kleinen Tisch stellte und eine große grüne Flasche Mineralwasser aufschraubte.
    Schließlich servierte er die dampfenden Teller.
    »Hast du heute schon mit deiner Mutter, mit Kitty, gesprochen?«, fragte Reed und stocherte dabei mit der Gabel in ihren Tortellini herum. »Übrigens, das sieht wirklich lecker aus.«
    Sebastian betrachtete seinen eigenen Teller. »Nein.«
    »Tut mir leid, dass ich das angesprochen habe.« Reed stach mit der Gabel in die Pasta, hob einen Bissen und starrte ihn an, als fragte sie sich, was das eigentlich sei.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Sebastian.
    Reed schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab einfach seltsame ... Gewohnheiten. Achte gar nicht auf mich.« Hastig aß sie die Pasta. »Die sind perfekt warm gemacht«, erklärte sie schließlich. »Du bist ein kulinarisches Genie!«
    »Wie lange

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