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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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hast du schon ... Schwierigkeiten mit dem Essen?«, erkundigte sich Sebastian.
    Reed sah ihn bestürzt an. »Ist das so offensichtlich? Oder hat eine meiner lieben Freundinnen geplaudert?«
    »Manchmal erspüre ich die Ängste anderer Menschen«, antwortete er. »Ich kann nicht anders.«
    »Dann gehe niemals zu einem Treffen der Anonymen Esssüchtigen«, erklärte sie ihm rundheraus. »Dir würde der Kopf platzen.«
    Sebastian musterte sie mit sanftem Blick. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet – und wenn du findest, dass mich das nichts angeht, würde ich das vollkommen verstehen.«
    Reed legte ihre Gabel aus der Hand und sah ihn direkt an. »Als ich zwölf war, wurde bei meiner Mutter Brustkrebs diagnostiziert. Wir stehen uns sehr, sehr nahe – immer noch. Aber als meine Eltern mir damals sagten, was los war, habe ich einfach aufgehört zu essen. Als sie dann die OPs und die Chemo und das alles hatte, habe ich meinen Appetit ganz und gar verloren. Schon morgens beim Aufwachen hatte ich das Gefühl, mein Magen sei voller Beton. Deshalb verlor ich natürlich langsam an Gewicht: Ich habe innerhalb von zwei Monaten zehn
Kilo abgenommen, genauso wie sie – aber auf einmal haben mich alle gelobt, wie toll ich aussehe. Als es meiner Mutter dann langsam wieder besser ging, habe ich wieder angefangen zu essen und auch wieder zugenommen. Es war wohl das gleiche Phänomen wie bei Männern, die dick werden, wenn ihre Ehefrau schwanger ist.
    Doch weil ich dann in keine meiner hübschen neuen Sachen mehr hineinpasste, habe ich die Freuden der Bulimie entdeckt, aber darauf will ich jetzt beim Essen nicht näher eingehen.« Sie seufzte schwer und drehte geistesabwesend ihre Gabel. »Aber jetzt gehts mir prima; ich muss nur aufpassen. Ich kenne meine Dämonen ziemlich gut, und ich weiß, wann sie anfangen mich zu quälen. Ich ...«
    Sie hielt inne und sah ihn einen langen Augenblick auf beunruhigend intensive Weise an, dann kam sie offenbar zu einem Entschluss. Sie entspannte sich und zuckte kurz mit den Schultern. »Ich muss mit aller Kraft auf mich aufpassen. Und ich glaube, das erspürst du, wenn ich in einem Moment allzu schüchtern bin und dann wieder allzu frech. In mir tobt ein kleiner Kampf, und dann tue und sage ich Dinge, mit denen ich mich eigentlich gar nicht wohlfühle, denen ich mich aber stellen muss. Das ist alles Teil meiner Genesung. Verstehst du?«
    Sebastian nickte. »Ja, sicher.« Er schenkte ihnen Mineralwasser nach. »Aber ich bin neugierig, denn du und dein Freund habt euch doch vor Kurzem getrennt. Hat das ... hm, dazu geführt, dass du wieder zu essen aufgehört hast? Nicht, dass du so aussiehst, ich meine ... du siehst kerngesund aus. Ich meine, du siehst schön aus. Hm ...«
    » Mir geht es gut «, unterbrach Reed ihn. »Und seit Ellie mich mit Clif-Riegeln zwangsernährt, geht es mir besser als gut. Selbst ohne Ellies Nörgeleien würde es mir gut gehen. Mein Therapeut hat mir dabei geholfen, einige gute Strategien zu entwickeln.« Sie lächelte, aß noch einige Tortellini. »Ich bin wohl eine
von den Glücklichen – manche Mädchen kommen nie mehr von der Anorexie-Insel herunter.«
    Sebastian erwiderte ihr Lächeln. »Ich nehme an, wir haben alle unser Päckchen zu tragen.«
    »Macht dir meine Erkrankung Angst?«
    Sebastian lachte. »Es muss schon viel zusammenkommen, bis ich Angst kriege. Sehr viel. «
    »Also, wo wir schon beim Thema sind: Was ist mit dir? Wie peinigen dich deine Dämonen?«
    »Mein größtes Problem ist vermutlich, dass ich nicht weiß, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich helfe gern Menschen, aber ich hasse diesen ganzen Kram mit der Religionsgemeinschaft, den meine Mutter uns aufgezwungen hat.«
    Reed trank einen Schluck Mineralwasser. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, wo du in, sagen wir, zehn Jahren stehen möchtest? Manchmal überlege ich, was ich anstrebe und arbeite mich dann von dort zurück.«
    »Darüber hab ich noch nie nachgedacht.« Er nahm sein Zitronenviertel und presste den Saft auf die Pasta. »Wo willst du denn in zehn Jahren stehen?«
    »Ich hätte gern ... einen sinnvollen Beruf, ein paar wohlgeratene Kinder und einen Ehemann, der mich rasend faszinierend findet. Aber ich würde auch in einem Zelt auf der Prärie wohnen, wenn das bedeutete, dass wir alle glücklich sind. Geld ist mir nicht wichtig.«
    »Vor einer Woche hätte ich dir noch gesagt, du spinnst«, erklärte Sebastian. »Aber nach allem, was in letzter Zeit

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