Prophetengift: Roman
die Dunstabzugshaube ihn auf wirksame Weise aus dem Raum.
»Er ist also mein Vater?«
» Du bist der Hellseher. Verrate es mir.«
»Fang nicht wieder so an.«
»Lass mich eines klarstellen«, sagte Kitty. »Weder du noch ich profitieren in irgendeiner Weise davon, wenn wir diesen Mann als deinen Vater anerkennen. Er kann unserem persönlichen, spirituellen und beruflichen Image nur schaden.«
»Du willst mir also sagen, er ist der, der er zu sein behauptet.« Sebastian aß noch einen Bissen.
»Ich bleibe völlig neutral in dieser Frage, weil ich befürchte, dass du diesem Mann weitersagst, was ich dir vielleicht erzähle, in der Hoffnung, irgendeine Art alberne Beziehung mit ihm einzugehen.«
»Aber er ist mein Vater.«
» Nein «, erklärte Kitty mit Nachdruck. »Chuck Niesen hat, wenn überhaupt, nur als Samenspender gedient. Ich hingegen bin deine Mutter und habe dich großgezogen – ganz allein und gegen ziemlich starke Widerstände.« Sie warf ihre Zigarette in die Spüle und trat dicht an ihn heran. »Und trotz unserer Meinungsverschiedenheiten habe ich um dich gekämpft und dich angeleitet, so gut ich konnte. Und so ungern ich es dir vorschlage, weil du mir zu sehr ähnelst und ich weiß, dass es dich vermutlich nur gegen mich aufbringt – aber du schuldest mir Loyalität, und deshalb möchte ich, dass du mir versprichst, die Angelegenheit mit äußerster Diskretion zu behandeln, bis wir wissen, wie zum Teufel wir weiter verfahren sollen.«
»Du riechst nach Zigaretten.«
Kitty trat einen Schritt zurück. »Und dein Haarschnitt lässt einiges zu wünschen übrig.«
»Hast du den Aston Martin zurückgegeben?«
»Hast du eigentlich irgendetwas von dem verstanden, was ich dir gerade gesagt habe?«
»Ich finde es interessant«, begann Sebastian, während sein
Blick zu ihr hinüberschweifte, »dass du mir sagen kannst, wie sehr du mich angeleitet und um mich gekämpft hast und was du alles für mich geopfert hast ...« – er nahm einen letzten Bissen von seinem Snack, kaute und schluckte ihn hinunter – »... bloß kann ich mich nicht erinnern, dass du mir je gesagt hättest, dass du mich liebst. Vielleicht ... nur vielleicht habe ich mit Chuck ja einen Elternteil, der sich um mich kümmert, statt mich wie einen Angestellten zu behandeln.«
Kitty wollte etwas darauf erwidern, hielt sich aber zurück. Stattdessen nahm sie sich von der Küchenbar ihr Päckchen Zigaretten, schüttelte eine Zigarette heraus und steckte sie sich an der Flamme des Gasherds an. »Du hast mir selbst gesagt, ich soll den Wagen dem Händler zurückgeben.« Sie stieß die Worte zusammen mit dem Zigarettenrauch heraus.
»Schön, ich will ihn nämlich nicht mehr.«
»Schade«, sagte Kitty.
»Wie bitte?«
»Ich habe ihn wider besseres Wissen behalten. Und ob du es nun glaubst oder nicht – ich fand den Gedanken aufregend, dein Gesicht zu sehen, wenn du zum ersten Mal in dem blöden Ding sitzt.«
34
Montagmorgen
Chuck saß mittlerweile seit über einer halben Stunde auf einer Parkbank mit Blick auf den Ocean Boulevard und wartete auf Sebastians Ankunft. Unterdessen amüsierte er sich damit, die bunte Parade zu beobachten, die an ihm vorbeizog: Bettelarme Obdachlose schoben mit Plunder beladene Einkaufswagen vor sich her, gut betuchte Leute mit Laufschuhen zu fünfhundert Dollar an den Füßen joggten vorbei, schmerbäuchige, rauchende russische Einwanderer quasselten unverständliches Zeug, würdevolle Kinderfrauen aus Guatemala fuhren weiße Babys in Sportkarren spazieren, die aussahen, als wären sie fit für eine Mondlandung.
So was gab es nur in Santa Monica.
Dann sah er Sebastian. Er trug eine lange schwarze Caban-Jacke, den Kragen als Protest gegen den kühlen Seewind hochgeschlagen, den Kopf mit dem verstrubbelten Blondhaar hatte er gesenkt und die Hände tief in den Taschen vergraben. Chuck sprang auf und ging ihm entgegen und sie trafen vor einem Beet mit kahlen Rosenbüschen zusammen.
»Zunächst mal, ich erwarte nicht, dass Sie glauben, dass ich Ihr Vater bin«, sagte er zu Sebastian, nachdem sie sich die Hände geschüttelt hatten. »Aber ich bin froh, dass Sie sich entschieden haben, sich mit mir zu treffen, wissen Sie. Ich fühle mich echt wahnsinnig geehrt, wissen Sie.«
»He, es ist ein schöner Tag und ich wollte mal an die frische Luft – aber ich habe nur ein paar Minuten Zeit, dann muss ich zu unserem Anwalt.«
»Ich werde nicht viel von Ihrer Zeit in Anspruch nehmen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher