Prophetengift: Roman
waren. Sollte sie die Oliven jetzt sofort verspeisen oder später? »Oh, und nur damit du Bescheid weißt, ich habe ein Geschenk für Chuck besorgt – eins von den neuen iPhones, damit er Zugang zum Internet hat und mailen kann. Auf die Weise kann er mit uns in Kontakt bleiben, falls wir ihn erreichen müssen. Ich habe den Karton auf dein Bett gelegt, also vergiss bitte nicht, es ihm morgen mitzubringen. Der Akku ist übrigens vollständig geladen und es ist aktiviert.«
»Ich sorge dafür, dass er es bekommt, Kitty. Jetzt muss ich aber Schluss machen, unser Essen ist gerade ...«
»Und ich werde dafür sorgen«, unterbrach Kitty ihn, »dass du auf dem neuesten Stand bleibst.« Sie nahm einen tiefen Zug
von ihrer Zigarette. »Morgen Abend haben wir in Mastro’s Steakhouse ein Treffen mit unserem Anwalt. Dank der überzeugenden eidesstattlichen Erklärung, die du heute Nachmittag abgegeben hast, glaubt Larry, dass wir auf einem guten Weg zu einer außergerichtlichen Einigung sind – das will er mit uns besprechen. Und wenn alles glattläuft, könnten wir danach noch eine Spritztour mit deinem wunderschönen neuen Wagen unternehmen. Gleich nachdem du weg warst, habe ich dafür gesorgt, dass die Schutzhaube abgenommen wird, und jetzt steht der Aston Martin frisch gewaschen unter den Leuchtstoffröhren und glänzt wie ein riesiger roter Apfel.«
Reed warf finstere Blicke auf Sebastian, während ihr Essen, das sie nicht angerührt hatte, langsam kalt wurde.
»Klingt super«, raunzte Sebastian, »aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen.«
»Bis bald, Liebling.«
Kitty kehrte zu ihrem Computer zurück, loggte sich in das Internet-Forum ein und postete eine neue Nachricht:
Hilda: Gerade hab ich von meinem Ex gehört, das dieser Mann zusamen mit dem Heiden nach Saucaleeto in der Nähe von San Francsico unterwegs ist. Sie wollen auf einem Boot wohnen. Aber unternehmen Sie nichts, bevor ich mich morgen melde, denn es steht noch nicht ganz fest das er da hin fährt ich melde mich gleich morgen Früh.
Mit zusammengebissenen Zähnen zog Kitty die Oliven vom Zahnstocher und schob sie sich in den Mund. Glücklich kauend tänzelte sie zur Bar hinüber, um sich noch einen Cocktail zu mixen. Als sie den Cocktail-Shaker schüttelte, wobei Eiswürfel und Gin im Inneren des frostigen Chrombehälters klangen wie ein Samba-Rhythmusinstrument, lächelte sie. Chuck würde als Lockvogel in die Kriegszone fahren, und ihr Sohn blieb zu
Hause, wo er sicher war. Morgen würde ein wunderbarer Tag werden.
Im selben Moment klappte in dem trostlosen Motel 6 in Oakland eine hämisch erfreute Amber ihren Laptop zu, griff sich das Handy ihres Mannes, der nach einer weiteren erfolglosen Bibelorakel-Session mit viel Wodka besoffen auf dem Boden lag, und scrollte sich durch das Adressverzeichnis, bis sie die gesuchte Nummer fand.
Sie tätigte den Anruf.
»Dyson«, sagte eine tiefe, exotische Stimme. »Ist der Dämon wieder zurückgekehrt?«
»Hier ist Amber. Dysons Frau. Was für ein Dämon?«
» Ammberrr « , schnurrte Olivier. »Ich bin ja so glücklich, dass ich Sie endlich mal erwische.«
37
Amber ist intelligenter, als ich gedacht hätte, überlegte Olivier. Es war eine Freude gewesen, den Plan mit ihr auszuarbeiten. Wenn die beiden da lebendig wieder rauskommen, werden sie gute Verbündete abgeben.
Er durchquerte den großen Saal des Chateaus, lief auf die mit Kalkstein geflieste Terrasse und lehnte sich gegen die Balustrade – Ellenbogen eng am Körper, Hüfte vorgeschoben, Knie leicht gebeugt. Er warf den Kopf zurück, sog tief die aromatische Meeresluft ein, hielt sie kurz fest und stieß den Atem langsam wieder aus. Der Duft von trockenem Buschwerk – Salbei, verkrüppelte Eichen und abgestorbene Kräuter – gemischt mit salziger Seeluft rief ihm die Tage in Erinnerung zurück, an denen ihm als Jugendlicher gestattet worden war, für kurze Zeit das Kloster Guadalest in Alicante zu verlassen und seine Familie auf ihrem schönen, von einer Steinmauer umgebenen Haus am Meer zu besuchen. Bei diesen Gelegenheiten hatte Olivier mit seiner Schwester Aurore lange Spaziergänge am Strand unternommen, sie hatten geredet, geträumt und versucht den Sinn des Lebens zu verstehen. Nur allzu bald musste er immer wieder in das Kloster auf dem Gipfel des Berges zurückkehren, die Nase tief in die Bücher vergraben und arbeiten, bis seine Finger blutig waren.
Bis zum heutigen Tag hasste er dieses Kloster, das im zwölften
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