Prophetengift: Roman
zwei Wochen ein Boot gemietet und es nur zwei Tage genutzt. Du könntest doch auf dem Boot wohnen. Wenn nötig, miete ich es für länger.«
»Machst du Witze? Du würdest mich tatsächlich in Sausalito auf einem Boot wohnen lassen? Ich würde sofort meinen Koffer packen, wenn ich einen hätte.«
»Es ist kein besonders schönes Boot, Chuck, aber es wird nicht sinken. Und die Motoren sind stark. Wäre das okay für dich?«
»Aber wie soll ich denn da hinkommen?«
»Mit meinem Auto. Wir könnten zusammen hinfahren. Morgen.«
»Besteht nicht die Gefahr, dass jemand uns sieht?«
»Mein Porsche hat getönte Scheiben.«
»Du hast einen Porsche? Ich habe mir immer einen Porsche gewünscht, weißt du.« Chuck zögerte. »Aber ich muss es erst mit meiner Bewährungshelferin abklären.«
»Ich warte«, sagte Sebastian.
Kurz darauf kam Chuck wieder ans Telefon. »Sie sagt, sie braucht eine Adresse, eine Telefonnummer und eine Kontaktperson, aber ansonsten versteht sie, was vorgeht, und sagt, dass ich fahren kann.«
Sebastian seufzte. »Ich ruf dich gleich morgen früh an, und wenn ich dich abhole, habe ich alle Infos parat, die kannst du dann an sie weitergeben.«
»Danke, junger Mann. Ich kann es kaum fassen, wie sehr sich mein Leben gerade ändert, dank dir.«
»Bleib einfach, wo du bist, Chuck, und alles wird gut. Okay?«
»Das krieg ich hin.«
Sebastian beendete das Gespräch, schaute in den Rückspiegel, und als alles frei war, trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
Im oberen Stock des Rehabilitationszentrums hatte Hank sich derweil im Badezimmer eingeschlossen und telefonierte. Der Reporter der Boulevardzeitung hatte ihn gerade auf seinem
Handy zurückgerufen und sie waren schon fast zu einer Vereinbarung gelangt.
Und in einem Motel 6 in East Oakland – weniger als eine Stunde Fahrt von Sausalito entfernt – erhielt Dyson einen Anruf von einem sehr zornigen Olivier, der nicht verstehen konnte, wie um alles in der Welt Sebastian es geschafft hatte, lebendig nach Los Angeles zurückzukehren.
36
Kitty scrollte sich durch die mittlerweile vertrauten Internet-Foren, bis sie den Namen ihres Sohnes entdeckte:
Wir erklären Sebastian Black den Heiligen Krieg, weil er sagt, wir sollen den Sohn Gottes nicht anbeten, und weil er sich selbst zum Götzen erklärt. Der Heide ist ohne Zweifel ein Dämon des Dunklen Engels. Er erhält Botschaften von Dämonen, um seine Opfer zu täuschen. Jedes verlorene Schaf ist eine weitere Seele, die das Licht des Himmels nie erblicken wird. Und Kitty Black ist die Große Buhlerin aus Offenbarung 17-18. Betet um Führung, damit ihr den Willen Gottes tut. Die Endzeit ist da! Sebastian Black = Satan is Back!
Diese Leute sind wirklich total plemplem, dachte Kitty, als sie die Antworten auf diesen flammenden Aufruf zur Tat und die Bibelstellen, die angeführt wurden, um die abstrusen Behauptungen zu belegen, durchlas. Bei näherem Hinsehen fiel ihr der besonders zornige Ton der Beiträge auf, die von einer gewissen Reba M. kamen, offenbar der Web-Moderatorin der Gruppe. Diese Frau hegte augenscheinlich einen besonders giftigen Groll gegen Sebastian und auch Kitty.
Plötzlich kam eine Flut neuer Beiträge herein, bei denen es um den hochgewachsenen, geheimnisvollen Kahlkopf ging, von dem man vermutete, dass er Sebastians Vater war:
Hoffeauferlösung: Man sagt, der Mann heißt Chuck Niesen und ist der Vater des Heiden, er hat Vorstrafen und war im Knast. Weiß jemand Näheres?
DerHerrsprichtzumir: Habs auch gerade gehört. Der Typ ist ein Junkie. Der Heide ist wohl doch nichts so Besonderes, was, mit einem drogenabhängigen Knastbruder als Vater und einer Hure als Mutter.
Mit zusammengekniffenen Augen starrte Kitty auf den Bildschirm. Ihr Herz hämmerte und sie platzte fast vor Wut. Er hat geplaudert! Obwohl ich es ihm ausdrücklich verboten hatte, hat er geplaudert!
Dann löschte ein kühler Rachenebel ihren brennenden Zorn: Wenn Chuck unbedingt berühmt sein will – das kann er haben!
Sie eröffnete ein neues Gmail-Konto und loggte sich unter einer fingierten Identität ein – »Hilda«, die abgekürzte Version eines Namens aus einem Märchen, das sie als Kind besonders gern gehört hatte.
Hilda: Ich hab gerad was über diesen Mann erfahren, dem Heiden sein Vater. Ich hab Infos.
Kurz darauf kam eine Antwort:
Reba M: Wir untersuchen das. Jeder, der Informationen hat, wird ermutigt, sie uns mitzuteilen. Wer bist du? Was ist dein Profil? Warum kommst
Weitere Kostenlose Bücher