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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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bat die beiden Gäste mit einer dezenten Handbewegung um einen Augenblick Geduld, stolzierte schnurstracks durch die großzügige Marmoreingangshalle davon und öffnete die große Eichendoppeltür an der anderen Seite. Frauenlachen, mehrstimmig, drang kurz und laut durch den geöffneten Spalt, verebbte gedämpft und machte dem tieferen Murmeln einer Männerstimme Platz. Das Murmeln verstummte.
    Philipp und Mavie ließen ihre Blicke durch den Raum schweifen. Zu ihrer Linken und Rechten hingen großformatige Ölbilder, Farbkleckse im Nebel zur einen Seite, kubische Formen zur anderen. Auf dem Boden unter der Steintreppe stand auf einem Podest eine etwa anderthalb Meter lange Skulptur, ein Kokonskelett, aus Baumwurzeln geformt und mit schwarzer Ölfarbe lackiert. Eine Tür führte nach links, zwei weitere nach rechts. Und die Doppeltür nach vorn.
    Durch die jetzt Leland Milett in den Flur trat, mit dem Rückenzu Mavie und Philipp, da er sich beim Verlassen des Salons noch einmal an die unsichtbaren Menschen in dem Raum hinter der Tür wandte, mit einer Bemerkung, die Mavie akustisch nicht verstand. Wieder lachten die Frauen, und Milett schloss die Tür. Er wandte sich seinen neuen Gästen zu, zog sich das sandfarbene Jackett, das er in der Linken gehalten hatte, über sein weißes Hemd und kam auf Mavie und Philipp zu.
    Der sandfarbene Anzug stand ihm ausgezeichnet und korrespondierte mit den braunen Budapestern und seinem ebenfalls braunen, leicht gewellten Schopf. Er schien kein einziges graues Haar zu haben, und seine glatt rasierten Züge waren verdächtig faltenfrei für einen fast 60-jährigen Mann. Auch die randlose Brille, die früher sein Markenzeichen gewesen war, fehlte. Mavie schloss daraus, dass Leland Milett in einen Jungbrunnen gefallen sein musste oder in die Hände von begnadeten Perückenmachern und Botox-Spezialisten. Aber seine Augen waren immer noch die alten. Denn als er sie ansah, erinnerte sie sich fröstelnd an den Time -Titel, von dem er sie nach dem IPCC -Skandal 2007 angestarrt hatte. An den No-Bullshit-Blick aus kalten grauen Augen, der damals exakt das Gleiche besagt hatte wie heute: Nütze mir, sonst überrolle ich dich.
    Er beließ es nicht bei dem Blick. Er ignorierte Philipp vollständig, nickte Mavie kurz zu, schenkte sich sogar den Handshake zur Begrüßung und sagte bloß: »Fünf Minuten.«
    Mavie nickte ebenfalls, bedankte sich – und fasste sich so kurz wie möglich. Berichtete ihm vom IICO , von der Geheimhaltung und der verdächtig undurchsichtigen Gesellschafterstruktur des Instituts. Von Prometheus, von den exklusiven Sono-Daten des Observatoriums auf dem Roque, von Gerrittsen – Milett lächelte kurz spöttisch, als er den Namen hörte –, von der Prognose und von Becks Bestätigung, das Programm sage eine Katastrophe voraus, eine monatelange Dürre für die Äquatorregion bei gleichzeitigem monatelangen Dauerregen im Norden. Von Nyquists und Helens Ermordung, vom Anschlag auf sie und Beck. Den entscheidenden und in ihren Augen alarmierendsten Punkt hob sie sich für den Schluss ihrer kurzen Schilderung auf.
    »Sofern wir nicht reagieren, müssen wir von 200 bis 800 Millionen Opfern ausgehen.«
    Sie hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass Milett die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, sich die gefärbten Haare raufen und nach einem roten Telefon greifen würde. Allerdings hatte sie auf einen besorgten Blick gehofft und auf einige Fragen nach den Details.
    Aber Milett hob bloß die Augenbrauen ein bisschen höher, fast belustigt, verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und sagte: »Und?«
    »Und?«
    »Ja, na und? Was wollen Sie hier? Und wieso erzählen Sie mir das?«
    »Weil Sie uns helfen können …«
    »Die Welt zu retten? Sehen Sie mich an.« Er drehte die Handflächen nach oben und präsentierte sie leer, mit belustigtem Blick. »Trage ich ein Cape? Oder mache ich mich auf andere Weise verdächtig, über Superkräfte zu verfügen?«
    »Nein, aber …«, sagte Mavie.
    Milett unterbrach sie, und sein Lächeln wurde wieder schmal und schief: »200 Millionen Tote. Nun ja. Das ist, zugegeben, etwas mehr als gewöhnlich. 800 wären natürlich deutlich mehr als gewöhnlich, aber 200 wären lediglich das Doppelte. Und immer vorausgesetzt, die Räuberpistole, die Sie mir da erzählen, spielt sich nicht nur in Ihrer persönlichen Realitätswahrnehmung ab, sondern auch in der anderer Menschen, hätte ich durchaus Verständnis für vornehme Zurückhaltung.«
    Sie sah

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