Psychopath
eine unbegrenzte Probezeit, die allerdings, ganz offen gesprochen, zu einer zeitlich unbegrenzten Aussetzung Ihrer Rechte führen könnte, sollte sich Billys Zustand aufgrund irgendeiner Beteiligung am Highwaykiller-Fall verschlechtern.«
Clevenger wusste, dass das im Klartext bedeutete, das Jugendamt würde mit Billy und ihm zusammen leben, essen und atmen. Sie hätten das Recht, Tag und Nacht unangemeldet vorbeizukommen oder Billy zu endlosen Gesprächen mit Sozialarbeitern und Psychologen zu schleifen. »Kommt nicht infrage«, erklärte er.
»Wir sehen darin eine angemessene Lösung für ein komplexes Problem«, sagte Diario.
»Ich nicht«, entgegnete Clevenger. »Wenn Sie uns am Gängelband führen wollen, dann müssen Sie sich die Erlaubnis schon von einem Richter besorgen.«
»Dazu werden wir möglicherweise gezwungen sein«, sagte Diario.
»Wir spielen eine wichtige Rolle dabei, das Wohlergehen von Minderjährigen in diesem Bundesstaat zu gewährleisten«, sagte O’Connor, »egal, wie berühmt Ihre Eltern auch sein mögen
O’Connor hatte seine Karten auf den Tisch gelegt, und seine Trümpfe waren Neid und Rache. »Diese Rolle spielen Sie«, sagte Clevenger. »Ich spiele ebenfalls eine Rolle. Ich bin BillyBishops Vater.« Er stand auf. »Ich seh Sie dann vor Gericht.« Er ging aus dem Büro.
Sein Zorn half ihm, ein Pokergesicht zu wahren, während er zu seinem Wagen in der vierten Etage des Behördenparkhauses ging. Er öffnete die Tür, setzte sich auf den Fahrersitz, schloss die Tür. Und dann entgleisten seine Züge, und er ließ den Kopf hängen und kämpfte mit den Tränen.
Er wusste, dass Diario und O’Connor keinen berechtigten Grund hatten, in seinem Leben mit Billy herumzuspionieren. Er wusste, dass er sein Bestes gab, Billy unter Umständen, die alles andere als ideal waren, aufzuziehen. Er wusste, dass er, ohne zu überlegen, sein Leben für ihn hingeben würde. Doch er wusste auch, dass das Jugendamt unberechenbar war – und mächtig. Er wusste, dass es am Jugendgericht hochpolitisch zuging: Das Los konnte ihm einen Richter zuteilen, der ihn von Herzen mochte, oder einen, der ihn von Herzen verabscheute. Er wusste, es bestand die Chance – keine große Chance, aber eine reale Chance –, dass er seinen Sohn verlieren könnte.
12
Whitney McCormick landete um sechzehn Uhr zwanzig Ortszeit auf dem Rocksprings Sweetwater County Airport. Sie holte die Pistole ab, die sie am Reagan National als Sondergepäck aufgegeben hatte, mietete sich ein Auto und fuhr die achtunddreißig Meilen zum Imbiss in Bitter Creek. Ihre Kündigung war noch nicht offiziell von Jake Hanley angenommen worden, und sie hatte noch immer ihre FBI-Marke, die dem Cop der Wyoming State Police, der den Tatort bewachte, mehr als genügte.
Wie es sich traf, setzte sie sich an den Tisch hinter jenem, an dem Jonah gesessen hatte, und schaute zum Tresen, wie er es getan hatte. Sie stellte sich vor, wie er am Kaffee nippte und aus dem Fenster auf den leeren Parkplatz guckte. Vielleicht hatte er fünfundzwanzig Cent in die silberne Musicbox gesteckt, die an der Wand neben dem Tisch angebracht war, und hörte ein bisschen Sinatra oder Bennett, während er Sally Pierce dabei beobachtete, wie sie die gläsernen Vitrinen mit Krapfen und Muffins für den morgendlichen Ansturm auffüllte. Vielleicht erinnerte Pierce ihn an zu Hause, an seine Mutter. Und vielleicht war das der Grund, weshalb das Adrenalin in seinen Körper schoss, er seine Fäuste ballte und nach Blut lechzte.
McCormick konnte ihn förmlich neben sich spüren, seinen brennenden Hunger, der sich mit seiner Erregung mischte. Sie fühlte das Adrenalin durch ihren Körper rauschen, eine Transfusion vom Mörder, die ihr Herz rasen und ihre Lungen nach Luft gieren und die feinen blonden Haare an ihren Armen zu Berge stehen ließ.
So verrückt es auch sein mochte, sie war instinktiv davon überzeugt, dass sie diesen Kerl schnappen würde, dass sie zusehen würde, wie er die verdiente Todesstrafe bekam, dass sie Kane Warner und Jake Hanley und dem Highwaykiller und ihrem Vater und – was noch wichtiger war – sich selbst zeigen würde, was in ihr steckte und wie wenig sie auf jemandes Gefälligkeiten angewiesen war, um die Tür zu ihrem eigenen Büro beim FBI zu öffnen.
Clevenger hatte leicht reden, dass sie nichts beweisen müsse. Die Leute mochten mit seinen Taktiken nicht einverstanden sein, mochten ihm übel nehmen, dass er reich wurde, während sie
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