Psychopath
haben, was den Ermittlungen weiterhelfen könnte?«, fuhr McCormick fort.
»Es ging ausschließlich um therapeutischen Beistand«, erklärte Jonah. »Ich habe kein Verhör durchgeführt.«
McCormick entging nicht sein scharfer Unterton. Sie entschied, ihm etwas mehr auf den Zahn zu fühlen. »Den Teil kann ich selbst übernehmen«, sagte sie. »Das ist mein Fachgebiet. Sie arbeiteten mit Traumapatienten?«
Wrens antwortete nicht. Er hatte den Karton voll gepackt und schloss den Deckel. Dann drehte er sich schließlich zu ihrum. »Ich fürchte, Sie haben sich einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht«, sagte er. »Einer meiner Patienten wurde heute von seiner Mutter umgebracht. Ich bin nicht in der Stimmung für eine nette Unterhaltung über berufliche Werdegänge.«
McCormick war bestürzt. »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie einen Patienten verloren haben. Ich ...« Ihr Handy klingelte. Sie nestelte hektisch in ihrer Jackentasche, um es abzuschalten.
»Möchten Sie nicht rangehen?«, fragte Wrens sarkastisch.
McCormick schüttelte den Kopf. »Wie alt?«
»Neun«, sagte Wrens. Er räusperte sich. »Ich habe ihn nach Hause entlassen. Ich dachte, er würde dort sicher sein. Das war ein sehr großer Fehler. Ein unverzeihlicher Fehler.« Er stützte seine Hände flach auf den Schreibtisch und spreizte seine Finger, als suche er Halt.
McCormick bemerkte jetzt erst, dass sein Büro völlig leer geräumt war. Wrens hatte alles in den Karton auf seinem Schreibtisch gestopft. »Verlassen Sie das Krankenhaus heute?«, fragte sie ihn. »Ich dachte, Marie hätte gesagt, Sie würden noch eine Woche hier sein.«
»Ich habe im Moment kein sonderliches Zutrauen in meine Fähigkeiten. Ich wäre niemandem eine große Hilfe.«
McCormick wollte mehr über Wrens erfahren, doch sie war nicht sicher, wie sie ihn in eine Unterhaltung verwickeln sollte. »Ich habe noch ein paar weitere Fragen«, sagte sie.
»Wozu?«
»Zu Ihrem Eindruck von Ms. Pierce«, war alles, was ihr einfiel.
»Verdächtigen Sie sie des Mordes an ihrer Mutter?«
McCormick schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich versuche nur, gründlich zu sein.«
»Sie wollen gründlich sein«, sagte Jonah. Er starrte ihr in die Augen. »Mein Patient ist heute gestorben, Dr. McCormick. Er wurde ermordet. Sie mögen ja immun dagegen sein, so etwas zu hören, aber ich bin es nicht. Mir liegen meine Patienten sehr am Herzen.« Er ging an ihr vorbei und hielt ihr die Tür auf. »Ich möchte, dass Sie jetzt gehen.«
Clevenger erreichte Communicare, als die Agentur gerade schließen wollte. Es brauchte einiges an Überredungskunst, aber die Besitzerin kannte seinen Namen aus der Times und suchte Jonah Wrens Akte heraus. Sie las die Liste seiner Einsätze für die vergangenen sechsunddreißig Monate vor.
Er hatte nicht in der Nähe eines einzigen der dreizehn Leichenfundorte gearbeitet.
»Wo arbeitet er jetzt?«, fragte Clevenger.
»Gar nicht – zumindest nicht für uns«, erklärte die Frau.
»Arbeitet er für andere Agenturen?«
»Wie jeder heutzutage. Ich wünschte, wir hätten einen Exklusivvertrag mit ihm. Er ist der meistgefragte Psychiater, der je bei uns war. Jedes Krankenhaus, das ihn beschäftigt, will ihn wiederhaben. Aber er geht nie zurück. Er will neue Orte sehen, unbekannte Gesichter.«
»Ich schätze, das ist nicht ungewöhnlich«, sagte Clevenger enttäuscht. »Warum arbeitet man sonst als Vertretungsarzt?«
»Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Diese Leute würden niemals in einem Betrieb überleben.«
»Sie überleben in Ihrem.«
»Mit einer Menge Händchenhalten, glauben Sie mir. Mit einer Menge Krisenbetreuung. Verstehen Sie mich nicht falsch, einige von denen sind wirklich fähig. Sogar begabt. Aber im Herzen sind sie alle Zigeuner. Sie mögen keine Routine. Und sie wollen nicht, dass ihnen Leute zu nah kommen.«
»Entscheiden sie selbst, wo sie arbeiten?«, fragte Clevenger.
»Es ist eine gemeinsame Entscheidung«, sagte die Frau. »Wenn wir eine Anfrage erhalten, rufen wir an, wer immerzuoberst auf der Liste steht. Wenn er ablehnt, kommt der nächste dran. So was nehmen wir nicht krumm. Wir haben jede Menge Ärzte. Aber jede Agentur ist da anders. Einige streichen einen Arzt von ihrer Liste, wenn er zwei oder drei Einsätze hintereinander ablehnt.«
»Verstehe.«
»Warum suchen Sie denn überhaupt nach Dr. Wrens?«, wollte sie wissen.
»Ich gehe nur einem Hinweis nach.« Er erkannte, dass seine Worte nicht so unverdächtig klangen,
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