Psychopathen
nicht die Biografen, die getestet wurden, sondern deren Zielpersonen. Im Namen der Menschen, über die sie Biografien verfasst hatten, sollten die Autoren auf der Grundlage ihres Wissens antworten.
Die Ergebnisse waren interessant. Eine Reihe von US-Präsidenten hatte eindeutig psychopathische Merkmale, wobei John F. Kennedy und Bill Clinton in Führung lagen (zur vollständigen Rangliste siehe www.wisdomofpsychopaths.co.uk ). Und man sehe sich an, wie die Roosevelts abschneiden. Einige der Golden Boys der Geschichte sind auf dieser Liste zu finden.
Sollten wir deshalb stark beunruhigt sein? Sollte es Grund zur Besorgnis sein, wenn das Oberhaupt der mächtigsten Nation der Welt einen signifikanten Anteil seiner Persönlichkeitsmerkmale mit Serienkillern gemein hat, wie Jim Kouri feststellte?
Vielleicht.
Um die Bedeutung der politischen Persönlichkeitsprofile von Lilienfeld, Rubenzer und Faschingbauer zu verstehen, müssen wir uns jedoch eingehender damit beschäftigen, was es heißt, ein Psychopath zu sein.
Verkorkste Persönlichkeiten
Sprechen wir über Persönlichkeitsstörungen, ist äußerste Vorsicht angesagt. Weil jeder eine hat, stimmt’s? Lassen Sie uns also von Anfang an klarstellen: Persönlichkeitsstörungen sind nicht die Domäne derjenigen, die Ihnen total auf die Nerven gehen (eine unter Narzissten weit verbreitete Fehlannahme). Vielmehr stellen sie, laut Definition des ›Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders‹ (Diagnostisches und statistisches Handbuch psychischer Störungen, DSM), [9] »ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten dar, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht«.
Das Schlüsselwort hier ist »überdauernd«. Eine Persönlichkeitsstörung hat man nicht nur mal eben an den Weihnachtstagen (obwohl Weihnachten zugegebenermaßen das Beste aus ihr herausholt). Nein, Persönlichkeitsstörungen sind gekennzeichnet durch tiefgreifende, unflexible Muster des Denkens, des Fühlens und des Umgangs mit anderen oder durch die Unfähigkeit, Impulse zu kontrollieren und zu regulieren, die Leid oder Beeinträchtigungen verursachen. Sie sind nicht den Menschen vorbehalten, die Ihnen auf die Nerven gehen. Doch wenn jemand eine Persönlichkeitsstörung hat, dann wird er das tun.
Das
DSM
unterteilt Persönlichkeitsstörungen in drei unterschiedliche Cluster [10] 28 –
sonderbar/exzentrisch, dramatisch/launisch
und
ängstlich/furchtsam
. Und glauben Sie mir, sie sindalle dabei. Die katzenverseuchte, hellseherische Tante mit dem Teewärmerhut und den großen, baumelnden Ohrringen, die glaubt, dass es in ihrem Schlafzimmer von »Anwesenheiten« wimmelt und dass es sich bei dem Paar auf der anderen Straßenseite um Außerirdische handelt (schizotypisch); der mit Klunkern behängte, dauergebräunte Bademeister, der sich so viel Botox hat spritzen lassen, dass selbst Mickey Rourke neben ihm normal aussieht (narzisstisch); und die Putzfrau, die ich mal engagiert hatte, die nach drei unerträglichen Stunden noch immer in dem verdammten Bad zugange war (zwanghaft). (Ich bezahlte sie pro Stunde. Wer also war hier verrückt?, frage ich mich.)
Doch Persönlichkeitsstörungen verursachen nicht nur Probleme im Alltag. Sie sorgen auch für eine Menge Zündstoff innerhalb der klinischen Psychologie. Ein ständiger Streitpunkt ist das Wort »Störung«. Da man bei 14 Prozent der Gesamtbevölkerung eine solche diagnostiziert hat, stellt sich die Frage, ob wir überhaupt von »Störungen« sprechen sollten. Wäre »Persönlichkeiten« nicht eine bessere Beschreibung? Naja, kann sein. Aber vielleicht sollten wir fragen, was Persönlichkeitsstörungen genau
sind
. Stellen sie z. B. einen gesonderten Archipel der Pathologie dar, der vor der Küste der Festlandpersönlichkeit epidemiologisch dahintreibt? Oder bilden sie vielmehr einen Teil der Big-Five-Halbinsel: entlegene Vorposten des Temperaments an seinen dunkelsten, am stärksten vom Sturm gebeutelten Rändern?
Letztere Sichtweise erfährt Unterstützung durch eine 2004 von Lisa Saulsman und Andrew Page durchgeführte Metaanalyse zur Beziehung zwischen den Persönlichkeitsdimensionen im Fünf-Faktoren-Modell und jeder der zehn im
DSM
aufgeführten Persönlichkeitsstörungen. 29 Die Analyse zeigte, dass alle zehn Persönlichkeitsstörungen im Rahmen des Fünf-Faktoren-Modells verstanden werden können – im Wesentlichen jedoch die »Großen Zwei« das Verständnis ermöglichen: Neurotizismus und
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