Psychopathen
Unterschied zwischen Psychopathen und anderen Probanden, gelinde gesagt, aufschlussreich. Die Psychopathenbrachte es viel weniger aus der Fassung, wenn sie von ihren Gegenspielern gelinkt wurden, als die Probanden der Kontrollgruppe. Und sie hatten am Ende des Spiels mehr in der Tasche. Ein dickeres Fell hatte ihnen vollere Geldbeutel eingebracht.
Abb. 3.1. Das Ultimatumspiel (1 = Spieler 1; 2 = Spieler 2; F = faires Angebot; U = unfaires Angebot; A = Annahme des Angebots; Z = Zurückweisung des Angebots)
Manchmal, so stellten Ohira und Osumi fest, zahlt es sich aus, ein Psychopath zu sein. Doch auf andere Weise als die von Andrew Colman aufgezeigte. Während Colman gezeigt hatte, dass es gut sein kann, den Fuß in der Tür bzw. auf dem Gas zu halten, hatten Ohira und Osumi genau das Gegenteil entdeckt.
Wenn Sie sich im Hinblick auf den Wert der beiden Strategien nicht ganz sicher sind, fragen Sie einfach jemanden, der die Sache aus eigener Erfahrung kennt.
Willst du an die Spitze, sorg dafür, dass dir dein Ruf vorauseilt
»Wie ein greller, heftiger Blitz am Gefängnishimmel«, so hat ein Privatermittler sie beschrieben. Und zu beiden Seiten der Gitter gibt es wohl nicht allzu viele, die ihm widersprechen würden. Die Aryan Brotherhood (»arische Bruderschaft«), auch bekannt als »The Rock«, ist eine der gefürchtetsten Gangs, die sich jemals innerhalb des US-Strafvollzugs gebildet haben. Ihre Mitglieder, die laut Zahlen des FBI für 21 Prozent der Morde innerhalb der US-Gefängnisse verantwortlich sind (obwohl sie nur ein Prozent der Insassen ausmachen), sind kaum zu übersehen. Sie tragen einen walrossartigen Oberlippenbart, der eher in den Wilden Westen passt als zu einem heutigen Verbrecher, und ein Tattoo, das ein Kleeblatt mit einem Hakenkreuz und der Zahl »666« auf den Blättern zeigt. Trägt man dieses Tattoo ohne Erlaubnis, wird man ausnahmslos aufgefordert, es zu entfernen. Normalerweise mit einem Rasiermesser.
Die Gangmitglieder sind eine brutale Elite, die Sondereinsatztruppe der Gefängniswelt. Als die Bruderschaft 1964 im kalifornischen Hochsicherheitsgefängnis San Quentin von einerGruppe von Rassisten gegründet wurde, war sie zahlenmäßig kleiner als jede andere Gefängnisgang. Doch schon nach wenigen blutbefleckten Monaten war sie der Rudelführer. Wie haben die Gangmitglieder das geschafft? Es schadet ja nie, wenn man etwas auf dem Kasten hat. Trotz der Tatsache, dass viele Mitglieder in unterschiedlichen Hochsicherheitsgefängnissen einsaßen, häufig mit 23-stündigem Einschluss, schaffte die Gang es, ihre Aktivitäten durch eine Reihe einfallsreicher Methoden zu koordinieren: Unsichtbare, aus Urin hergestellte Tinte und ein 400 Jahre alter, vom Renaissance-Philosophen Sir Francis Bacon entwickelter Binärcode sind nur zwei von vielen bemerkenswerten Beispielen.
Die Gangmitglieder waren jedoch auch völlig skrupellos und lebten (und leben heute noch) nach einem simplen und bösartigen Wahlspruch »Blood In, Blood Out«. »Blood In«: Neue Mitglieder werden nur dann aufgenommen, wenn sie bereits ein Mitglied einer rivalisierenden Gang getötet haben, und sind verpflichtet, auf Anweisung weitere Hinrichtungen vorzunehmen. »Blood Out«: Die einzige Austrittskarte ist das eigene Ableben – entweder in Form eines natürlichen Todes oder, was sehr viel wahrscheinlicher ist (und in vielen Fällen vorzuziehen), durch Gewalt.
Wie die Mitglieder zugeben, ist es eine gnadenlos minimalistische Philosophie. Es gibt keine Halbherzigkeiten, es werden keine Fragen gestellt. »Fürchte nichts und niemanden«, lautet das Mantra. Was der Gang an Mitgliederzahlen fehlt, gleicht sie durch gnadenlose Grausamkeit aus. Und durch ein bedingungsloses Engagement für ihren Auftrag, wie es typisch ist für hoch motivierte Psychopathen.
Die Gangmitglieder, die Zugang zu Gefängnisbibliotheken (und zusätzlichem Lesestoff aus weniger offiziellen Quellen) haben, behandeln das Töten, als ginge es um ein studentisches Wissenschaftsmodul, und wälzen (neben Nietzsche, Machiavelli, Tolkien und Hitler) Anatomiebücher, um die Stellen des Körpers zu finden, die am anfälligsten sind für ein plötzlichesTrauma. In dem verzerrten Raum-Zeit-Kontinuum eines Hochsicherheitsgefängnisses ist ein Zehn-Sekunden-Fenster wie ein Wurmloch zur Ewigkeit – und ein Kampf dieser zeitlichen Größenordnung hinter Gittern entspricht einem Schlagabtausch über zwölf Runden in der Welt außerhalb der Gefängnismauern.
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