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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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werden. Jeder hat folgende Wahlmöglichkeiten: Er kann sich entweder für die vernünftige, »nicht-psychopathische« Strategie entscheiden, auszuweichenund einen Zusammenstoß zu vermeiden, oder die riskante »psychopathische« Option wählen und den Fuß auf dem Gas lassen. Diese Wahlmöglichkeiten mit ihren unterschiedlichen »Belohnungen« stellen ein klassisches »Eine Hand wäscht die andere – oder auch nicht«-Szenario dar, das wir mithilfe der Spieltheorie modellieren können. Die Spieltheorie ist ein Zweig der angewandten Mathematik, der optimale Entscheidungsfindungsprozesse in Situationen zu quantifizieren versucht, in denen das Ergebnis nicht vom Handeln der einzelnen Parteien, sondern von deren Interaktion abhängt:
    Tabelle 3.1. Ein spieltheoretisches Modell der Evolution der Psychopathie
    Wenn Jim und Buzz sich beide für die vernünftige Option entscheiden und einander ausweichen, ist das Ergebnis ein Unentschieden mit zweitbesten Belohnungen für beide (3). Sind hingegen beide psychopathisch und entscheiden sich dafür, die Sache durchzuziehen, riskiert jeder von ihnen den Tod – oder im besten Fall schwere Verletzungen. Und erhält so die schlechteste Auszahlung (1). Wenn sich jedoch einer der Fahrer – sagen wir Jim – für Vorsicht entscheidet, während Buzz sich als »verrückt« erweist, taucht plötzlich ein Unterschied auf. Jim verliert Punkte und erhält die »Feiglings«-Belohnung (2). Buzz hingegen hat Schwein und fährt die Maximalpunktzahl ein (4).
    Es ist ein mathematischer Mikrokosmos dessen, was passiert, wenn man mit Psychopathen (und dem Autobahnkreuz Newark Airport) in Berührung kommt. Und biologisch betrachtetfunktioniert die Sache: Wenn das Spiel im Labor wiederholt gespielt wird, von Computerprogrammen, die mit vorher festgelegten Reaktionsstrategien speziell kodiert sind, passiert etwas sehr Interessantes. Rechnet man die Belohnungen in Einheiten darwinistischer Fitness um und stellt die Hypothese auf, dass diejenigen Spieler, die größere Belohnungen erhalten, eine größere Zahl an Nachkommen haben werden, die genau dieselbe Strategie wählen wie ihre Ahnen, dann entwickelt sich die Bevölkerung so, dass der Anteil der Individuen, die sich durchgängig psychopathisch verhalten, das beobachtete Vorkommen der Störung im wirklichen Leben widerspiegelt (rund ein bis zwei Prozent).
    Wer auch immer den Fuß auf dem Gas lässt – wer auch immer die Nerven behält –, wird unweigerlich gewinnen: vorausgesetzt natürlich, der Gegenspieler ist geistig gesund. »Irrational« zu handeln könnte manchmal tatsächlich vernünftig sein.
    2010 bestätigten Hideki Ohira, Psychologe an der Universität Nagoya, und sein Doktorand Takahiro Osumi Colmans Theorie. 56 Psychopathen, so fanden sie heraus, treffen unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen bessere finanzielle Entscheidungen als der Rest der Welt, und zwar aus genau dem Grund, den Colman so elegant aufgezeigt hatte: Sie verhalten sich auf eine Weise, die in anderen Zusammenhängen irrational erscheinen würde.
    Um dies zu demonstrieren, wählten die Japaner das
Ultimatumspiel
– das häufig Anwendung in der Neuroökonomie findet und grob gesagt erforscht, wie wir Gewinne, in erster Linie finanzielle, aber auch andere bewerten. Bei diesem Spiel verhandeln zwei Spieler darüber, wie ein Geldbetrag, den sie erhalten, aufgeteilt werden soll. Der erste Spieler schlägt eine Lösung vor. Der zweite Spieler entscheidet, ob er das Angebot annimmt oder nicht. Lehnt er es ab, gehen beide Akteure leer aus. Stimmt er dem Angebot zu, wird die Summe entsprechend aufgeteilt. Das Angebot, das Spieler 1 auf den Tisch legt, kann fair oder unfair sein. Es kann z. B. lauten, das Geld 50:50 aufzuteilen.Oder auch 80:20. Normalerweise passiert Folgendes: Nähern die Vorschläge sich der 70:30-Marke (zugunsten von Spieler 1), schaltet Spieler 2 auf Ablehnung. [16] Schließlich geht es nicht nur ums Geld, sondern auch ums Prinzip!
    Psychopathen spielen das Spiel, wie Ohira und Osumi herausfanden, jedoch etwas anders. Sie zeigen nicht nur eine größere Bereitschaft, unfaire Angebote anzunehmen. Der wirtschaftliche Nutzen ist ihnen wichtiger als das Bedürfnis nach Bestrafung des Gegenspielers oder nach Selbsterhaltung. Sie haben auch viel weniger Probleme mit der Ungerechtigkeit. Bei Messungen der elektrodermalen Aktivität (ein verlässlicher Index für Stress, basierend auf der automatischen Reaktion unserer Schweißdrüsen) war der

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