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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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hier.» Sie zeigt auf den Mann neben sich. Sie lächelt ihn an. «Manchmal frage ich mich, dieses ganze Theater damals mit meinem Vater wegen dem hier. Wenn ich das gewusst hätte. Na ja!» Die anderen Seminarteilnehmer lachen laut.
    «Also», berichtet sie weiter, «mein Vater war beinhart wegen des Festes am Freitag. Ich hab alles versucht, mit Schmeicheln, mit Drohen, mit Tränen. Also alle Tricks habe ich ausprobiert, aber er blieb hart. So nach zehn Minuten hatte er ganz offensichtlich die Schnauze voll. Er richtete sich auf, sah mich an und meinte ganz ruhig: ‹Tochter, solange du die Füße unter meinen Tisch setzt, wird gemacht, was ich sage. Jürgen hin, Jürgen her. Es wird ja wohl noch mehr Männer geben auf dieser Welt.›» Ihre Augen werden ganz schmal, es ist, als sei sie noch immer wütend. «Oh, wie hab ich ihn in diesem Moment gehasst. Ich hätte ihn umbringen können   … Ermorden, vierteilen, diesen scheiß Alten!»
    Aber dann, so Anna, habe sie sich schnell beruhigt. «Ich war ja angepasst. Aber ich hab mir geschworen, du erziehst deine Kinder einmal ganz anders. Dieser Satz, den mein Vater gesagt hat, würde mir niemals über die Lippen kommen.» Sie lächelt. «Und als ich dann abends im Bett lag, hab ich mir damals vorgestellt, wie ich später mit meiner Tochter reden würde, wie ich sie überzeuge, wenn sie etwas anderes will als ich. Und ich sah es förmlich vor mir, wie meine Tochter dann lächelnd meine Hand ergreift: ‹Du bist sehr verständnisvoll, Mama, du hast mich überzeugt.› Tja!»
    Anna macht eine kurze Pause und grinst mich an. «Ich blöde Kuh, so, wie Jürgen nicht der Märchenprinz ist, so ist Lena, unsere Älteste, keine, die alles sofort einsieht. Sie ist eben wie die Mama.» Was sie damit sagen wolle, will ich wissen. «Also, ich hab dann Kommunikationspsychologie studiert und mich intensiv damit beschäftigt, wie man mit Kindern redet und so. Wollte bloß alles richtig machen. Wir haben viele Rollenspiele gemacht, da war ich gut, absolut überzeugend!»
    «Und?» Ich bin neugierig.
    «Nun ist Lena 14.   Sie wollte auf ein Disco-Fest. Also, bei so was geht es fürchterlich ab. Ich hatte Schlimmes darüber gehört. Undsie ist doch erst 14.» Anna atmet tief aus. «Ich hab mich dann mit ihr hingesetzt und ihr diesen Disco-Floh ausreden wollen. Ich war ganz ruhig. Hab ihr all die Nachteile aufgezählt!»
    «Hat Ihre Tochter Sie verstanden?»
    «Quatsch, überhaupt nicht!» Anna schüttelt vehement den Kopf. «Sie hat sich völlig anders verhalten, als ich es aus den Rollenspielen gewohnt war.» Ich lache laut los.
    «Ist mir auch klar, wie bescheuert ich war!»
    «Das war ’ne Prüfung für Sie?»
    «Und wie! Lena blockierte, ging auf kein Argument ein. War bockig: ‹Du bist gemein! Alle andern dürfen! Du willst, dass ich nie einen Mann bekomme!›, usw., usw. Ich war fix und fertig, aber ich sagte mir: Anna, bleib ruhig! Nicht platzen! Nicht drohen!»
    Schmunzelnd erzählt Anna weiter: «Nachdem wir so ungefähr 30   Minuten lang gefeilscht hatten, taucht in meinem Hinterkopf mein Vater auf, er grinst dreckig, so als wolle er sagen: Tochter, sag’s! Nun sag’s doch! Aber ich hab noch einen letzten Versuch gemacht, noch einmal alles erklärt. Aber als meine Tochter dann nur wie ein Waschbär ‹Nö! Nö!› grunzte, da bin ich geplatzt. ‹Du bist um 10   Uhr zu Hause›, hab ich geschrien. ‹Warum?›, hat Lena ganz ruhig gefragt. ‹Weil ich es sage! Weil ich es sage! Hörst du, weil ich es sage und ich deine Mutter bin!›, hab ich geschrien. Ich war wie von Sinnen. Lena hat mich angeschaut und gemeint: ‹Mama, du bist wie Opa – nur viel schlimmer!›»
    Auf meine Frage, warum Anna so lange auf Einsicht bei ihrer Tochter gedrungen und ihre eigenen Gefühle zurückgestellt habe, meint sie: «Ich wollte nicht wie mein Vater sein!»
    «Wie war Ihr Vater?»
    «Hart, besserwisserisch, kontrollierend, er hatte alles im Griff!»
    «Hatte er auch gute Seiten?» Anna denkt längere Zeit nach, dann antwortet sie langsam: «Ich wusste, woran ich bei ihm war.Wenn er nein sagte, blieb’s beim Nein. Wenn er ja sagte, konnte ich mich auf sein Wort verlassen!»
    «Und so wollen Sie nicht sein?» Anna überlegt kurz: «Doch, schon. Aber irgendwie anders!»
    Bloß nicht wie die eigenen Eltern werden!
    Anna definiert sich in ihrem Erziehungsstil nur negativ, soll heißen: in Absetzung von den Erziehungsmaßnahmen ihres Vaters. Alles, was nur im Entferntesten an diese

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