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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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Eltern haben das Gefühl, überflüssig zu sein, manche meinen, den Ablösungsprozess verhindern zu können – was sicherlich auch in manchen Fällen zutrifft. Die Handlungen und Haltungen von Heranwachsenden deuten viele Eltern als Rückzug ihrer allmählich erwachsen werdenden Kinder – und dabei schwingt gewiss ein Gefühl von Enttäuschung, von Kränkung und Resignation mit. Die elterliche Abwendung führt bei manchen Heranwachsenden jedoch zu Irritationen.
    Wer sich aus der Erziehung zurückzieht, zieht sich, zumindest in der subjektiven Einschätzung Heranwachsender, auch aus der Beziehung zurück. Sie fühlen sich allein, ohne wirkliche Bindung. Halt- und Orientierungslosigkeit sind die Folge. Das macht Jugendlichen Angst, verunsichert sie. Nicht selten versuchen Heranwachsende dann, durch störendes Verhalten Aufmerksamkeitauf sich und ihre Situation zu lenken. Sie schlagen so lange – verbal oder körperlich – um sich, bis ihnen Aufmerksamkeit gewiss ist. Selbst negative Zuwendung – zum Beispiel in Form von Bestrafung – kann immer noch besser sein, als «links» liegengelassen zu werden oder keinerlei Beachtung zu finden. Grenzüberschreitende Aktionen sind deshalb nicht selten Hilferufe, mit denen nach Beziehung und persönlicher, gelebter Autorität geradezu geschrien wird.
    Der Pubertierende braucht personale Vorbilder, die raten und beraten, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten, die aber Rat und eine eigene Meinung nicht mit Kontrolle und Besserwisserei verwechseln. Der Pädagoge Pestalozzi hat das so ausgedrückt: Erziehung, das ist Vorbild plus Liebe. Eltern müssen durch konsequent liebevolles Handeln überzeugen und über eigene Lebenserfahrung verfügen, sie sollten Perspektiven vorleben können und Standpunkte nicht als ewig starre Markierungen verstehen. Auch der Pubertierende erweitert seine Handlungsräume, er wird mit vielfältigen Erfahrungen konfrontiert, er hat häufig die Qual der Wahl – und dies fordert nicht allein heraus, dies überfordert manchmal, macht unsicher, sodass die Meinung der Eltern sehr wohl gefragt, ja manchmal sogar gewünscht ist.
    Die Mutter des 1 4-jährigen Arne erzählt, ihr Sohn wollte neulich zu einer Video-Session bei Freunden gehen. Sie hatten vor, sich ab 23.00   Uhr sechs Science-Fiction-Filme hintereinander anzusehen. Filme, die erst ab 16 zugelassen sind, und Arne wollte unbedingt dort hingehen.
    «Was mich stutzig machte», so die Mutter, «war, dass er mich überhaupt fragte. Er hätte ja auch sagen können, er wolle bei seinem besten Freund übernachten, wo das Spektakel stattfand. Aber er fragte! Ich hab gesagt, ich müsse erst einmal nachdenken. Ich hatte spontan keine passende Antwort parat. Aber ich habe ihm auch gesagt, mir gefiele so ein Video-Abend überhauptnicht. Beim Abendbrot hat Arne nochmals gefragt. Ich hatte mir in der Zwischenzeit eine Antwort zurechtgelegt.»
    «Welche?», will ich wissen. Sie lächelt: «Keine originelle, aber Sie schreiben ja, man solle keine perfekten Lösungen entwickeln. Wenn man keinen Schlüssel hat, tut’s manchmal auch ein Dietrich.»
    «Und wie sah der Dietrich aus?»
    «Ich habe Arne etwas über den Jugendschutz erzählt, darüber, dass ich eine Erziehungsverantwortung für ihn hätte und Filme, die erst ab 16   Jahren zugelassen sind, für ihn verboten wären.»
    «Und wie hat Ihr Sohn reagiert?»
    «Der akzeptierte das Argument auf Anhieb. Er rief einen seiner Freunde an, dass er nicht dürfe und zu Hause bleiben müsse.»
    «Was, meinen Sie, ist der Grund dafür, dass Ihre Idee auf Anhieb funktionierte?»
    «Ich glaube, er war ganz froh, dass er zu Hause bleiben durfte. Ihm war die Veranstaltung selbst nicht ganz geheuer. Er traute es sich aber wohl nicht, seinen Freunden das zu sagen. Mein Rat hat ihm die Qual der Wahl erleichtert!» Sie macht eine Pause. «Aber wie soll man das vorher wissen? Es hätte auch schiefgehen können!»
    «Ist es aber nicht, weil Sie nicht besserwisserisch argumentiert haben und weil Arne sich verstanden fühlte. Sie sind ihm nicht mit Vorwürfen gekommen, sondern haben deutlich Ihre Erziehungsverantwortung angesprochen.»
    Jugendliche wollen elterlichen Rat, wünschen Beratung. Sie möchten nicht, dass man ihnen partout nach dem Mund redet, alles kritiklos und verständnisvoll hinnimmt, was sie sagen, denken und tun. Guter Rat bedeutet eben nicht, nur zuzustimmen. Produktiver, klarer und hilfreicher kann es sein, auch mal abzuraten. Aber die elterliche

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