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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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Erwachsene, die sich dieser Konfrontation nicht stellen, verunsichern Heranwachsende. Dann rütteln Jugendliche an Grenzen, dann handeln sie, um Erwachsene aus der Reserve zu locken. Und dabei ist ihnen jedes Mittel recht.
    «Aber», so Heiner Albers, die Situation nachträglich abwägend, «wenn ich das früher mit meinem Nazi-Vater gemacht hätte, wär das absolut in Ordnung gewesen. Aber ich hab Sven so liberal, so aufklärerisch erzogen, er sollte Respekt vor anderen Kulturen haben – und dann dies. Ich bin doch nun alles andere als ein autoritärer Knacker. Und dann so etwas?»
    Es ist schon erstaunlich, wie sich die «Das-war-früher-alles-anders»-Haltung auch in der gegenwärtigen Elterngeneration fortsetzt. Ging es einst um die Erinnerung an Kaiser und König,an Zucht und Ordnung, so wird heute eine verklärte Erinnerung an den Aufbruch von 1968 und die bewegten siebziger Jahre ins Feld geführt. «Wir», sagt etwa Heiner Albers, «wussten noch, was wir wollten. Wir haben damals doch für etwas gekämpft. Und heute?»
    Wer die Vergangenheit, die Erinnerung an die eigene Jugend, zum Maßstab macht, der legt die Messlatte so hoch, dass Heranwachsende sie kaum überspringen können. So wird man den heutigen Jugendlichen nicht gerecht.
    Vertrauen ist Zutrauen
    Die 1 8-jährige Carina erzählt, sie habe seit ein paar Wochen ein eigenes Auto, um damit morgens zu ihrer Lehrstelle zu fahren. Der Mutter sei der Autokauf überhaupt nicht recht gewesen. «Seit feststand, dass ich ein Auto bekomme, hat sie ständig genervt: ‹Sei vorsichtig! Pass auf, dass bloß nichts passiert!› Ich konnte das schon nicht mehr hören.» Carina überlegt, sieht ihren Daumen an, der in einem Gipsverband steckt. «Hier ist das Ergebnis von diesem ewigen Gerede!» Dann berichtet Carina, wie ihre Mutter sie jeden Morgen verabschiedet habe: «Carina, pass auf, sei vorsichtig. Du weißt, wie schnell etwas passieren kann!» – «Und ich», so fährt Carina fort, «saß völlig verspannt am Steuer. Ich hab nur gedacht, hoffentlich baust du keinen Unfall! Und dann ist es doch geschehen. Ich war wohl unaufmerksam, bin mit dem Auto in den Graben gerutscht. Mein erster Gedanke war: Was werde ich wohl zu Hause zu hören bekommen!»
    «Und was haben Sie gehört?», frage ich.
    «Meine Mutter hat nur gesagt: ‹Siehst du, ich hab’s dir ja gesagt!›»
     
    Gespräche mit Pubertierenden machen deutlich, wie sehr diese sich von Eltern – insbesondere von den Müttern – durch ständige Ermahnungen verunsichern lassen. Das ewige «Pass auf!» oder «Sei vorsichtig!» lässt die Heranwachsenden nicht unbedingt selbstbewusster oder selbstsicherer werden. Im Gegenteil: Solche Sätze wirken verkrampfend. Ungewollt können solche Sätze gar zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.
    Zweifelsohne sind Jugendliche vielfältigen objektiven Gefahren ausgesetzt. Aber der ständige Hinweis auf mögliche Gefahren lässt diese nicht geringer werden, vor allem bietet er Pubertierenden keinen Schutz. Sie können lernen, sich selbst zu schützen, sich in komplizierten Situationen selbständig zu verhalten und sich zu behaupten. Hierzu müssen sie von den Eltern losgelassen werden. Nur jene Pubertierenden handeln sicher, die ermutigende Wünsche der Eltern mit auf den Weg in die Eigenständigkeit bekommen. Pubertierende brauchen das Vertrauen ihrer Eltern. Je fester das elterliche Vertrauen, umso größer sind das Ur- und Selbstvertrauen der Heranwachsenden, umso mutiger und selbstbewusster meistern sie komplexe Situationen. Unselbständige, entmutigte und verunsicherte Jugendliche scheitern nicht nur häufiger. Sie sind häufiger Opfer und stärker von negativen Erlebnissen bedroht und betroffen. Deshalb: Ermutigen Sie Ihre Kinder, schenken Sie ihnen Ihr Vertrauen!
    «Aber», fragt eine Mutter, «darf ich denn meine Sorgen gar nicht mehr äußern?» Natürlich soll man das aussprechen. Aber artikulieren Sie Ihre Unsicherheiten deutlich, damit Ihre Kinder darauf eingehen können. «Aber wie soll ich denn das bloß machen?», fragt ein Vater, dem gerne ein «Sei vorsichtig!» herausrutscht.
    Formulierungen wie «Ich mache mir schon Sorgen um dich, wenn du unterwegs bist. Aber ich weiß, du passt auf dich auf!» oder «Mir ist manchmal nicht ganz wohl, wenn du da jetzt hingehst. Aber ich denke, du schaffst das!» beinhalten eine Doppelperspektive:Sie drücken einerseits elterliche Ängste klar aus, andererseits lassen sie den Heranwachsenden los und

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