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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Aufbruch. Sie gingen gemeinsam bis zur Weidendammer Brücke und verabschiedeten sich dort.
    »Bremser heißt dein Klassenlehrer?« fragte Pünktchen.
    Anton nickte.
    »Morgen nachmittag besuch ich dich wieder«, versprach sie. Er schüttelte ihr erfreut die Hand, machte vor Fräulein Andacht eine Verbeugung und rannte auf und davon.
    Pünktchen und Fräulein Andacht gelangten ohne Zwischenfälle in die Wohnung. Die Eltern waren noch immer beim Generalkonsul Ohlerich. Das Kind legte sich ins Bett und schlief auf der Stelle ein. Piefke knurrte leise, weil er geweckt worden war. Das Kinderfräulein ging in ihr Zimmer, schloß die Bettelkleider in die Kommode, und dann begab auch sie sich zur Ruhe.
    Anton konnte noch nicht ins Bett. Er schlich, am Zimmer seiner Mutter vorbei, durch den Korridor, machte in der Küche Licht, versteckte sein Handköfferchen, setzte sich an den Tisch, stützte den Kopf in die Hände und gähnte, daß er sich fast die Kiefer ausgerenkt hätte. Dann zog er ein blaues Oktavheft und einen Bleistift aus der Tasche und schlug das Heft auf. »Ausgaben« stand auf der einen Seite. »Einnahmen« stand auf der anderen. Er griff in die Hosentasche, legte ein Häufchen Münzen auf den Tisch und zählte eifrig. Zwei Mark fünfzehn waren es. Wenn Pünktchen und der nette Herr nicht gewesen wären, hätte ich jetzt fünfundvierzig Pfennig, dachte er und trug die Abendeinnahme ins Heft ein.
    Mit dem Überschuß, den er heimlich im Tuschkasten aufbewahrte, hatte er fünf Mark und sechzig Pfennig, und fünf Mark wollte der Wirt allein für Miete haben! Demnach blieben sechzig Pfennig fürs Essen. Er blickte in die kleine Speisekammer. Kartoffeln waren noch da. Auf dem Schneidebrett lag eine Speckschwarte. Wenn er morgen den Tiegel mit der Schwarte einrieb, kamen vielleicht Bratkartoffeln zustande. Aber aus dem Viertelpfund Leberwurst wurde wieder nichts. Und er hatte so riesigen Appetit auf Leberwurst! Er zog die Schuhe aus, legte die Apfelsinenscheiben auf einen Teller, machte dunkel und schlich aus der Küche. An der Tür zum Schlafzimmer blieb er stehen und preßte das Ohr ans Holz. Die Mutter schlief. Er hörte ihre ruhigen Atemzüge, manchmal 6 schnarchte sie sogar ein bißchen. Anton streichelte die Tür und lächelte, weil die Mutter gerade wieder aufschnarchte. Dann schlich er in die Wohnstube. Er zog sich im Finstern aus, hängte den Anzug über den Stuhl, legte das Geld in den Tuschkasten, kroch aufs Sofa und deckte sich zu.
    Hatte er die Korridortür abgeschlossen? War der Gashahn zugedreht? Anton warf sich unruhig hin und her, dann stand er noch einmal auf und sah nach, ob alles in Ordnung war.
    Es war alles in Ordnung. Er legte sich wieder hin.
    Die Rechenaufgaben hatte er gemacht. Aufs Diktat vorbereitet hatte er sich auch. Hoffentlich schrieb Herr Bremser der Mutter keinen Brief. Denn dann kam es heraus, daß er abends auf der Weidendammer Brücke stand und Schnürsenkel verkaufte. Hatte er noch genug Schnürsenkel? Die braunen würden nicht mehr lange reichen. Man trug anscheinend mehr braune Schuhe als schwarze. Oder gingen braune Schnürsenkel schneller entzwei?
    Anton legte sich auf seine Schlafseite. Hoffentlich wurde die Mutter wieder ganz gesund. Dann schlief er endlich ein.

    Die siebente Nachdenkerei handelt: VOM ERNST DES LEBENS

    Neulich  war ich in Rostock auf dem Jahrmarkt. Die Straßen, die sich schräg zur Warnow hinabsenken, standen voller Buden, und unten am Ufer drehten sich Karussells. Ich wurde, weil alles so schön laut war, sehr fidel, stellte mich an eine Zuckerwarenbude und verlangte für zehn Pfennig türkischen Honig. Er schmeckte großartig.
    Da kam ein Junge mit seiner Mutter vorüber, zog die Frau am Ärmel und sagte: »Noch einen Pfefferkuchen!« Dabei trug er schon fünf Pfefferkuchenpakete unterm Arm. Die Mutter stellte sich taub. Da blieb er stehen, stampfte mit dem Fuß auf und krähte: »Noch einen Pfefferkuchen!«
    »Du hast doch schon fünf Pakete«, erklärte die Mutter. »Denk nur, die armen Kinder kriegen überhaupt keinen Pfefferkuchen!«
    Wißt ihr, was der Junge antwortete?
    Er schrie ärgerlich: »Was gehen mich die armen Kinder an?« Ich erschrak so, daß ich fast meinen türkischen Honig samt dem Papier auf einmal verschluckt hätte. Kinder, Kinder! Hält man das für möglich?
    Da hat so ein Junge das unverdiente Glück, wohlhabende Eltern tu bekommen, und dann stellt er sich hin und schreit: »Was gehen mich die armen Kinder an!« Anstatt von

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