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Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Scholze
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Autofahrer lassen sich häufig ohne Motor und ohne Licht die Straßen herunter rollen. Der Motor wird dann eingeschaltet, wenn er gebraucht wird. Wäre schade, wenn du noch vor ein Auto rennst«.
    »Da gehörst du im Augenblick wohl zu den Wenigen, die sich Sorgen um mich machen. Beruhigend, dass es auch solche Menschen gibt.«
    Anja schaute in Gedanken versunken nach draußen. Kaum Autoverkehr auf der Straße. Die Scheibenwischer taten unermüdlich ihre Arbeit. Im Scheinwerferlicht wirkte die Asphaltstraße einschläfernd. Von der Landschaft links und rechts der Straße war nicht viel zu sehen. Haydee hatte eine sehr gleichmäßige und ruhige Fahrweise - anders als die typisch bolivianische, sehr hektische Art des Autofahrens. Anja musste Ferdinand Lochner dafür danken, dass er ihr Haydee geschickt hatte.
    Aus den Lautsprecher erklangen die ersten einleitenden Gitarrenklänge des nächsten Stücks. »Would you know my name if I saw you in heaven? Would it be the same if I saw you in heaven? ...«
    »Du magst Eric Clapton ? «, fragte Anja.
    »Ja. Und dieses Lied besonders«.
    »Ich bekomme bei diesem Lied immer wieder eine Gänsehaut«, meinte Anja.
    »Ich auch. Es ist ein ganz besonderer Nachruf auf seinen Sohn. Von einem Vater, der erst relativ spät nach der Geburt des Sohnes Vater sein durfte ... Ich glaube, ich würde wahnsinnig werden, wenn mein Kind fast 50 Stockwerke tief aus einem Fenster stürzen würde.«
    »Ich finde es schön, wenn es solche Väter gibt. Meinen habe ich nie kennen lernen dürfen.«
    »Wieso?«
    »Er hat uns verlassen, als er herausbekommen hatte, dass meine Mutter eine Affaire hatte und dass meine Schwester Folge dieser Affaire war .«
    »Und fehlt er Dir ?«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, wie es ist, einen Vater zu haben. Er hat später nie Kontakt zu mir gesucht. War verschwunden. Wie soll er mir da fehlen ?«
    »Du bist doch Genealogin. Hast du nie nachgeforscht, wo er ist ?«
    »Nein. Ich hatte einfach kein Bedürfnis. Weißt Du, ich bin seine Tochter. Meinst du nicht, ich hätte es verdient, seine Aufmerksamkeit zu haben? Vielleicht hätte auch ich Trost verdient? Vielleicht hätte auch ich jemanden gebraucht, mit dem ich mich hätte messen können? Er war da nicht. Kannst du Dir das vorstellen ?«
    »Ehrlicherweise nein. Mein Vater war immer für uns da. Er hat hart gearbeitet. Aber seine Kinder hat er über alles geliebt. Ich fürchte, wir hatten für ihn sogar eine wichtigere Rolle als unsere Mutter .«
    »Wieso?«
    »Er hat uns jeden Wunsch, den er erfüllen konnte, realisiert. Meine Mutter musste dagegen für viele Dinge kämpfen. Wenn er einen schlechten Tag hatte, hat er sie geschlagen. Wie oft haben wir sie weinen gesehen. Manchmal hatte sie ein geschwollenes Gesicht. Manchmal war auf ihrer Kleidung noch das Blut aus ihrer Nase zu sehen, wenn sie uns an sich drückte, um uns zu trösten. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie meine Beziehung zu meinem Vater ist. Als er vor ein paar Jahren gestorben ist, habe ich lange geheult. Aber auf der anderen Seite habe ich ihn auch verachtet für das, was er mit meiner Mutter gemacht hat. Er war Bergmann in Oruro. Sein Leben war nicht einfach. Aber das rechtfertigt nicht die Gewalt«.
    »Und hast du einen Freund ?«
    »Nein. Ich möchte wieder nach Deutschland. Ich weiß nicht, ob es da so gut ist, eine Freundschaft vorher einzugehen .«
    Die Musikkassette war an ihrem Ende angekommen. Das klackende Geräusch verriet, das das Band in Kürze wieder von vorne beginnen würde. »What’ll you do when you get lonely and nobody’s waiting by your side. You’ve been running and hiding much too long«.
    »Sag mal, das ist doch die Musik, mit der wir in Sucre gestartet sind ?« , erkundigte sich Anja.
    »Es ist die gleiche Kassette. Layla. Eric Clapton«.
    »Stört Dich das nicht ?«
    »Was?«
    »Wenn du fast drei Stunden lang die gleiche Musik hörst ?«
    »Die Musik regt meine Gedanken an. Wenn ich nachdenke, lege ich diese Musik ein«.
    »Ist das da vorne Potosí ?«
    »Ja. Im 17. Jahrhundert war es eine der größten Städte der Welt. Und das in 4000 m Höhe. Heute ist Potosí eine Art Mahnmal .«
    »Wofür?«
    »Für Ausbeutung. Gewinnmaximierung aus dem Ausland auf unserem Rücken«.
    »Klingt verdammt abgedroschen .« , erwiderte Anja.
    »Mag sein, aber wer das nicht versteht, wird mit Projekten in Bolivien Probleme bekommen. Kannst du nicht den Eindruck entkräften, daß der Wohlstand mit Produkten aus Bolivien außerhalb des

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